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EREIGNISSE
 

Augenblick mal !
6. Deutsches Kinder- und Jugendtheater-Treffen
vom 5. bis 10. Mai 2001 in Berlin
 
Medienecho



Reutlinger Generalanzeiger
 
 
(Auszug)
 
 
Rambergs Stück, das übrigens der frühere LTT Kindertheaterleiter Volker Quandt übersetzt hat, geht einen provokanten Weg und bricht ein Tabuthema auf. Es zeigt auf sehr direkte Art und Weise die ganze Problematik, die ein Pflegefall mit sich bringen kann
 
 

Sag doch was!
 
 

LTT Tübingen
 


Die Deutsche Bühne
 
 
Manfred Jahnke
 
 
Trendwende
Das 6. 'Deutsche Kinder- und Jugendtheatertreffen' in Berlin:
Figurentheater und soziale Themen stoßen auf wachsendes Interesse
 
 
(Auszug)
 
 
Eine dreiköpfige Jury hatte sich an die 300 Inszenierungen angesehen und daraus die zehn 'bemerkenswertesten' ausgewählt - wenn auch bewusst nicht als ein Treffen der 'Bewussten' konzipiert, lassen sich bei einer solchen Auswahl doch immerhin Trends ausmachen.

Was das Kindertheater betrifft, scheint das Figurentheater auf dem Vormarsch zu sein: Immerhin drei von sechs Positionen in der Sparte Kindertheater hielt dieses Genre besetzt, wobei die Puppenführer immer häufiger zu Schauspielren mutieren. Sie führen nicht nur ihre Figuren sichtbar, sondern spielen auch aktiv mit ihrer eigenen Rolle mit. Den Aufführungen aus Chemnitz und vom Theater Mähr aus Hamburg wurde das zum Problem, weil doch spielerische Mängel sichtbar wurden. Einzig 'Der standhafte Zinnsoldat' vom Meiniger Puppentheater, zuvor schon bei den 'Traumspielen' erfolgreich aufgeführt, konnte überzeugen. Daneben scheinen im Kindertheater soziale Themen wieder vermehrt Interesse zu finden. Sowohl 'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' vom Theater mini-art als auch 'Sag doch was! vom LTT Tübingen setzen sich mit gesellschaftlichen Themen auseinander.

Bei der Sparte Jugendtheater enttäuschten die jungen Regiehoffnungen, weder Sascha Bunge mit 'Das große Heft' von Agota Kristof am Thalia Theater Halle noch Alexander Hawemann mit seiner Fassung der Struwwelpeter-Adaption 'Shocking Heads' vermochten zu überzeugen. In der Konzeption ganz verschieden, laufen doch beide Inszenierungen ins Leere, weil sich die ästhetischen Mittel nicht miteinander verbinden. Dagegen überzeugten 'Salzwasser' von Conor McPherson, von Klaus Weise am TiP Oberhausen inszeniert, wie auch 'Creeps' von Lutz Hübner, von Sabine Boss am Schauspiel Hannover inszeniert (eine Übernahme vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg), durch virtuose Schauspielerleistungen. Sie gehören zum besten, was in Berlin zu sehen war.
 


Algemeen Dagblad
 
 
(Auszug)
 
 
Ein wunderbar freches Stück
A delightful cheeky play
 
 

co-starring
 
 

Het MUZtheater
 


Die Welt
 
 
(Auszug)
 
 
Stilistischer Höhepunkt: Der kollektive Blick der Brigade auf die blühende wilde Mohnlandschaft Claude Monets, die den Hintergrund des Bühnenbildes abgibt, während von den Hinterköpfen graue Masken in das Publikum starren ... Dazu ein stimmiges 60er Jahre-Milieu, noch nie war der Verbrauch von Petticoats am carrousel so hoch. Und erholsam in der Tristesse die lockende Schlagerstimme Caterina Valentes: "Steig in das Traumboot der Liebe". An aktuellen Bezügen fehlt es nicht. 36 Jahre nach der Niederschrift hat sich der Himmel über Deutschland noch nicht wieder geschlossen.
 
 

Der geteilte Himmel
 
 

carrousel Theater an der Parkaue, Berlin
 


Berliner Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
Die Uraufführung ist zum Glück keine naturgetreue Bebilderung der großen Vorlage geworden. Odette Bereskas Bühnenfassung reiht, der Erzählung folgend, dialogische wie epische Passagen aneinander. Getrennt werden sie durch die Schlager jener Zeit, zu denen in einem neonbeleuchteten Geviert zwischen Turnhalle und Fabrikumkleideraum getanzt wird. Die acht gut geführten Darsteller spielen über zwei Dutzend Rollen und binden sich dazu überdimensionale Gesichtsmasken um.
 
 

Der geteilte Himmel
 
 

carrousel Theater an der Parkaue, Berlin
 


Rheinische Post
 
 
(Auszug)
 
 
Eine poetische Geschichte um Sehnsüchte, Alleinsein und die Suche nach Glück. Zwei gefallene "Engel" retten sich gegenseitig, indem sie ihre Vergangenheit aufarbeiten und sich von den Zwängen des Alltags befreien. Eine Erzählung über die verlorene Kindheit und die Tatsache, daß die Generationen doch nicht so unterschiedlich sind, wie sie scheinen.
 
 

Wer auf dem Kopf geht...
 
 

mini~art, Bedburg-Hau
 


Frankfurter Allgemeine Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
"Shocking Heads" ist eine schmerzhaft prägnante, von Larmoyanz freie Betrachtung dessen, was passieren kann, wenn jemand früh aus dem Erwartungsraster herausfällt. Alexander Hawemann inszeniert den Weg der Kinder durchs Niemandsland der Institutionen als Höllenfahrt: jeder Halt eine neue Wunde. Sehenswert macht er mit dem vorzüglichen Ensemble den ganz normalen Wahnsinn offenkundig. Denn die Besserungsanstalten sind überfüllt, aber besser wird nichts.
 
 

Shocking Heads
 
 

Hans Otto Theater Potsdam
 


Theater heute
 
 
(Auszug)
 
 
Das Stück selber beschreibt einen Kreis, in dem Menschen sich aus einer sehr schmalen Welt in Geschichten flüchten, bis sie ihre Fiktionen zu einer Realität machen, die am Ende wieder erzählt werden kann
 
 

Salzwasser
 
 

TiP-Theater Oberhausen
 


CJP Magazine
 
 
(Auszug)
 
 
Nur Komplimente für diese schräge Geschichte ... Eine wunderbar absurde Aufführung ... Hugo Konings ist in dieser Ein-Mann-Show in Top-Form

Nothing but compliments for this curious story ... ... Lovely absurd performance ... Hugo Konings is at the top of his form in this one man show
 
 

co-starring
 
 

Het MUZtheater
 


Schwäbisches Tagblatt
 
 
(Auszug)
 
 
Kranker Opa, neu entdeckt
 
 

Sag doch was!
 
 

LTT Tübingen
 


Brabants Dagblad
 
 
(Auszug)
 
 
Der wichtigste Bestandteil ist der beißende Humor und das bezaubernde Spiel von Hugo Konings
The most important ingredient is the sparkling humour and the charming performance by Hugo Konings
 
 

co-starring
 
 

Het MUZtheater
 


taz
 
 
(Auszug)
 
 
In der warmherzigen Theaterumsetzung kann man erleben, was passiert, wenn Farben es zu bunt treiben ... Vom ersten Moment an ziehen die raffinierten Bildeffekte, das lebhafte Spiel und die eingängige Musik unter der Regie von Marc Lowitz in ihren Bann. Ein Traum, in dem die Bilder das Laufen lernen
 
 

Die Königin der Farben
 
 

Theater Mär, Hamburg
 


Freie Presse, Chemnitz
 
 
(Auszug)
 
 
Wild oder gezähmt? Oder vielleicht beides? Was nun ist das Beste? Schön ist, daß die Geschichte sich nicht dazu versteigt, dem jungen Publikum eine fertige Antwort anzutragen. Jeder muß seine eigene finden. Ein bisschen Nachdenken und einige Erfahrungen gehören dazu.
 
 

Die Katze
 
 

Figurentheater Chemnitz
 


Synergura bulletin, Erfurt
 
 
(Auszug)
 
 
Mit seiner kindlichen Freude am Experiment und bestimmt von der Liebe zu seinen Erfindungen ist Stefan Weys Erzähler uneitel und narzißhaft genug. Er wird der Mittelpunkt einer zauberhaften glücklichen Welt kleiner Dinge, wo selbst die Katastrophe noch Staunen macht.
 
 

Der standhafte Zinnsoldat
 
 

Puppentheater Meiningen
 


Freies Wort Meiningen
 
 
(Auszug)
 
 
Und nun öffnen die jungen und sogar die alten Zuschauer vor Staunen den Mund und kriegen ihn bis zum Ende der Geschichte nicht mehr zu. Ein Wunder geschieht! Unser Erzähler schwebt auf Wolken. Andersen träumt auf schneeweißen Wolken! Spätestens ab diesem Ereignis verschwimmen für uns die Grenzen von Realität und Fiktion und alle - ausnahmslose alle - werden zu Gestaltern des Märchens. Andersens Magie wird Realität in einer Weise, wie sie niemand von uns erwartet. Wie in Trance betreten wir eine Märchenwelt, die uns - im wahrsten Sinne des Wortes - gefangennimmt
 
 

Der standhafte Zinnsoldat
 
 

Puppentheater Meiningen
 


Mitteldeutsche Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
Alles, fast alles wächst aus der Imagination des Wortes, aus dem chorischen Sprechen, aus der Andeutung eines Spiels. Das macht Spannung wie Anspruch des knapp dreistündigen Abends aus.
Namentlich nach der Pause wird das Geschehen noch forciert - bis hin zum finsteren Schluß "Mehr Liebe, mehr Tempo, mehr Arbeit, mehr Licht" skandiert der Chor.
 
 

Das große Heft
 
 

Thalia Theater Halle
 


taz hamburg
 
 
(Auszug)
 
 
Regisseurin Sabine Boss reizt das Potential des Textes bis zum Anschlag aus, setzt die Pointen zielsicher und hat noch eine Menge Einfälle darüber hinaus. Wohlkalkuliert ist ihr Umgang mit Klischees: Sie verarbeitet sie gründlich, ohne je wirklich zu übertreiben. Und für diese Gradwanderung hat Sabine Boss enorm starke Nachwuchsschauspielerinnen gewonnen, die ihre Figuren fest im Griff haben und sich mitunter sehr mutig exponieren.
 


Badische Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
"Besuch bei Katt und Fredda" ist das Gegenstück zum üblichen Ausstattungsmärchen zur Weihnachtszeit. Es funktioniert wie ein Legobaukasten für wohlbekannte Beziehungsdramen, die Intensität entsteht nicht durch Fülle und Überwältigung, sondern durch Nachvollziehbarkeit und Klarheit ...
 
 

Besuch bei Katt und Fredda
 
 

Theater im Marienbad, Freiburg
 


Stuttgarter Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
Eine wunderbar leichte Inszenierung ist da am Freiburger Theater im Marienbad entstanden, die selbst den Kitsch zu integrieren vermag, wenn in der Schlussapotheose "Lara's Theme" ertönt.
 
 

Besuch bei Katt und Fredda
 
 

Theater im Marienbad, Freiburg
 


Westfälische Rundschau
 
 
(Auszug)
 
 
Das Ganze wirkt irgendwie wie ein Zwischending von Rezitationsabend und Kneipenlesung. Es könnte auch als Hörspiel funktionieren, wenn man Hörspiel als etwas begreift, was einem Bilder in den Kopf zaubert. Tatsächlich sind es drei sich überlappende Monologe, die uns den ganzen Kosmos eines faden irischen Küstenkaffs auffächern ...
 
 

Salzwasser
 
 

TiP-Theater Oberhausen
 


Noord-Hollands Dagblad
 
 
(Auszug)
 
 
Gespielt voller mitreißender Energie
Performed with a turbulent energy
 
 

co-starring
 
 

Het MUZtheater
 


Neue Zürcher Zeitung
 
 
(Auszug)
 
 
'Pausen-Rehe & Platz-Hirsche' ist mehr als eine überzeugende und homogene Ensembleleistung; sie ist auch handwerklich auf einem Niveau, das für die Zukunft der Studierenden einiges verspricht.
Zum Beispiel die Übung in Romantik, sprich: Gameboy trifft Playgirl an der Playstation "Leben"; natürlich wird die Liebesgeschichte zwischen Romeo und Julia auch in der Folge 2001 kein gutes Ende nehmen ...
Rollenträger sind sie alle, Comic-Helden ihrer eigenen Phantasie: die Männer Testosteron-betriebene Sex-Maschinen und Kampf-Hunde, die Frauen Östrogen-wabernde Hühner, deren einziger Daseinszweck der Lustmoment des Mannes ist - oder die Zerschlagung der männlichen Utensilien; was die trainierten Schülerinnen alle motiviert meistern ...
 
 

Pausen-Rehe & Platz-Hirsche
 
 

Theater an der Sihl
 


Theater-Rundschau
 
 
Angelika Cromme
 
 
Cuba - my love
 
 
Das soll für Kinder sein? Zwei alte Männer, Penner, die mir besondere Akribie liebevoll die letzten Tropen aus dem gesammelten Leergut herausstreicheln, hausen neben Mülltonnen, in denen nur noch herzlich wenig Brauchbares zu finden ist - und doch findet sich hin und wieder ein kleiner Schatz - ein Wurstzipfel etwa oder gar eine halbe Flasche Wodka, und schon hängt der Himmel wieder voller Geigen... Man versteht kein Wort von dem, was die beiden Alten - der eine kugelrund, der eine dünn und ein wenig verwachsen - sich da zu sagen haben auf ihre alten Tage. Und doch treffen diese Vollblutschauspieler mitten ins Herz - mal dröhnend und laut, mal weinerlich und ängstlich formen sie ihre skurrile Persönlichkeit und plötzlich steht, mit einem Kanonenschlag herangepolltert, ein kleiner Junge zwischen ihnen, lacht sie freundlich an, spricht mit ihnen irgendetwas, und sie erinnern sich plötzlich an damals - an ihre Schulzeit, an den Schulweg, auf dem sie eines Tages als kleine Steppkes brutal von einer Bande überfallen wurden. Zwei der drei Freunde konnten fliehen, der Dritte, der Kleinste, Schmächtige, blieb zurück, erschlagen, tot. Und nun ist er geradewegs vom Himmel gefallen, um ihnen ihre Schuld zu nehmen und sie mit in jenes Reich zu führen, wo ein Engelschor als Fidel Castro verkleidet, eine neue Glückseligkeit verheißt: 'Cuba - my love'. Natürlich ist das ein köstlicher Spott und Spaß, vor allem aber ist es lebendiges Theater aus Tomsk, das kleine und große, dicke und dünne Leute anspricht. Und man muß nicht einmal russisch verstehen.

Das ist nur eine von den zahlreichen Gastgruppen, die bei den diesjährigen europäischen 6. Kinder- und Jugendtheatrertreffen in Berlin zeigten, wie unterschiedlich Theater sein kann, wie vielfältig die Darstellung von Gefühltem und Erlebtem - ein kleiner glitzender Edelstein im Rhamen des großen Theatertreffens. An fünf Tagen wurden "Schulhofgeschichten", auf der Bühne des Gripstheaters, des carrousel Theaters, der Schaubude und in denSophiensälen gezeigt, Workshops abgehalten und Gespräche mit Schülern, Pädagogen, Schauspielern, Regisseuren geführt. Und doch lässt sich niemals in Worte fassen, was sich letzlich erst im Spiel von der Bühne auf den Zuschauerraum überträgt - das ist das Geheimnis dieser Theater: zu übermitteln, wie junge Menschen ihren Alltag, ihre Nöte und ihr Glück wahrnehmen, daheim, auf dem Schulhof und in ihren Cliquen.
Wie und was sie lernen können, wenn sie sich selbst und ihren Empfindungen vertrauen, dafür kam das vielleicht überzeugendste Bühenspiel vom MUZtheater aus Zaandam: pantomimisch, witzig, wortreich und mit toller Musik zeigte ein hochtalentierter junger Schauspieler, wie man die Schwierigkeiten der Adoleszenz, pubertäre Alb-Träume und Phantasien bewältigen kann.
Ein Besuch dieser Festspielreihe im nächsten Jahr sollte rechtzeitig im Terminkalender vorgemerkt werden!
 


Theater der Zeit
 
 
Ingeborg Pietzsch
 
 
Berlin
Zehn Mal Leben
'Augenblick mal!' Das 6. Deutsche Kinder- und Jugendtheatertreffen
 
 
Zehn 'künstlerisch bemerkenswerte Inszenierungen' waren von einer dreiköpfigen Jury aus einer Fülle von Angeboten ausgewählt worden. Für die kleinsten Theaterbesucher wurde vom Theater Mär Hamburg 'Die Königin der Farben' vorgestellt - eine sympathische Geschichte von Marc Lowitz (der auch Regie führte) und Peter Markhoff, nach einem Kinderbuch von Jutta Bauer. Gespielt wird mit Farben und Formen, die Stimmungen erzeugen und beeinflussen. Mit Tüchern, ein paar Malutensilien, einem Projektor und einem Erzähler laufen lustige Vorgänge (alledings etwas sehr betulich) ab.
Über 'Creeps' von Lutz Hübner, vom schauspielhannover gezeigt, ist in TdZ /01 (neben Beiträgen aus Tübingen und Halle) berichtet worden. Ich halte dieses vorzüglich inszenierte und gespielte Jugendstück über eine big-brother-generation in seiner Bitterkeit und Komik für eines der besten heutigen Jugendstücke überhaupt. 'Die Katze' von Horst Hawemann, ein sehr viel gespieltes Stück, stand im Programm des Figurentheaters Chemnitz (Regie Anne Frank). Schön waren Tempo und Spiellust der drei Darsteller, auch die theatralisierte Form beeindruckte: nicht nur die Figuren streiten untereinander, sondern auch ihre 'Vorführer'. Und der wichtigste Aspekt des Stücks - die Behauptung der Individualität bei gleichzeitiger Nähe und Distanz (zu DDR-Zeiten ein scheel beäugtes Anliegen) - wird durchaus hergestellt. Aber es stellt sich nur begrenzt Vergnügen ein: Die Puppen sind zu starr, zu unbeweglich und auch ästhetisch wenig überzeugend. Sie werden geworfen, über die Schulter gehängt, aufgestellt... Doch sie 'leben' nicht, werden nicht zu den eigentlichen Spielern der Aufführung. Das Theater im Marienbad Freiburg zeigte mit Dieter Kümmels Inszenierung 'Besuch bei Katt und Fredda' von Ingeborg von Zadow eine zauberhafte Geschichte, so philosophisch wie kindlich und fast absurd. Zwei Mädchen haben nach langer Irrfahrt ein Zuhause gefunden und sich eingerichtet. Da kommt Besuch. Stört er? Ist Platz für drei, für Neues, für Veränderung? Das Gewohnte wird aufgebrochen. Konflikte sind die Folge. Der Gast muss schließlich gehen. Aber er war da - die Veränderung wird bleiben. Nur zwei Stühle, winzige Requisiten und die Darstellerinnen in Kleidern wie Puppen des 19. Jahrhunderts genügen, um eine seltsame, ganz eigene Welt herzuzaubern, in der spielerisch und tiefernst Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens gestellt werden.
Andersens Märchen vom 'StandhaftenZinnsoldaten', dem einbeinigen Außenseiter, wird vom Puppentheater Meinigen hinreißend poetisch erzählt. Wir alle sitzen in dem riesigen Zelt, in dem der Dichter und Spieler sein dickes Märchenbuch aufklappt und die darin winzigen Papierfiguren und Spielorte durch einen Projektor als Silhouetten auf die Zeltwände zaubert. Der Wechsel von Erzählerhaltung zur Rolle und zum Spielmacher gelingt Stefan Wey beglückend. So wird das traurige Märchen mit dem bösen Schluss zu einer unvergesslichen Reise durch Traum- und Theaterwelten.
'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' von Crischa Ohler und Sjef van der Linden, die auch für Bühne und Musik verantwortlich zeichnen und die Geschichte spielen, kam vom mini-art Kinder- und Jugendtheater Bedburg-Hau. Die Problematik des Stückes rührt an Wunden: Eine Frau sammelt verloren gegangene, missbrauchte, aus der Welt gefallene Kinder. Und der erwachsene Mann, der zufällig in ihren Arbeitsraum stürzt - auch er hat das Kind in sich verloren. Leider wird mehr reflektiert als agiert, viel moralisiert und belehrt und das Happy-end gelingt allzu glatt.
'Salzwasser' von dem irischen Autor Conor McPherson (TiP-Theater Oberhausen, Regie Klaus Weise) erzählt die Geschichte von drei jungen Männern, die sich aus einer miefigen Kleinstadt wegträumen - hin zu Sex, großem Geld, Alkohol. Weise macht Erzähltheater: In einem rot ausgeleuchtetem Raum, in den das Publikum 'gesperrt' wird, stehen in den Türrahmen die drei Darsteller und reflektieren über ihr Leben und den großen Coup, den sie starten. Doch abgeschlaffte, enttäuschte junge Leute sah man in englischen Stücken schon oft und besser, zumal der erwartete skurrile irische Humor á la O´Casey oder Sygne weitgehend ausblieb.
('Shocking Heads' vom Hans Otto Theater Potsdam konnte wegen Vorstellungsausfall für diese Umschau nicht berücksichtigt werden.)
 


NRC Handelsblad
 
 
(Auszug)
 
 
Mit seinen komischen Abenteuern verzaubert Hugo Konings sein Publikum
Hugo Konings has a spell on the audience with his comical adventures
 
 

co-starring
 
 

Het MUZtheater
 


Stern
 
 
6. Jugendtheatertreffen
 
 
(Auszug)
 
 
Erstmals parallel zum Theatertreffen werden in Berlin auch die zehn gelungensten Kinder- und Jugedtheaterstücke gezeigt (...)
 


Das andere Theater
 
 
Barbara Fuchs
 
 
Augenblick mal!
6. Deutsches Kinder- und Jugendtheater Treffen vom 5. - 10. Mai Berlin
 
 
(Auszug)
 
 
(...) Es war ein Angebot mit thematisch provokanten Inszenierungen von gesellschaftlicher Relevanz, die emotionale Höhen und Tiefen wagten.

Wechselbad ästhetischer Erfahrungen

In sechs Spielstätten gab es sechs Tage Spiellust, Staunen, Fragen, Widerspruch. Es gab wunderbar kreative Situationen, in denen Theatermacher und Publikum in einen gemeinsamen Raum intesiver Spannungen gerieten, wo Bilder, Szenen, Stimmungen unter die Haut gingen. Aber diese Tage waren auch ein Wechselbad ästhetischer Erfahrungen. Es gab ein faszinierendes experimentelles Theater ('Der standhafte Zinnsoldat' vom Puppentheater Meinigen, 'Creeps' von Lutz Hübner, vom schauspielhannover in der Mischung von Schauspiel, Live-Kamera und Videoscreen oder 'Shocking Heads' vom Hans Otto Theater Potsdam) und daneben Inszenierungen, die thematisch provokant und aufregend waren, aber mit ihrer Ästhetik ausgesprochen hausbacken daherkamen. Es gab die kleine Form für jüngere Kinder mit Erzähltheater, Puppenspiel, Schattenspiel, es gab die Vermischung von Puppentheater / Schauspiel / Körpertheater. Es gab die traditionelle Spielweise und radikale experimetelle Formen. Berührend und formal mutig 'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' vom mini-art kinder- und Jugendtheater, Bedburg-Hau über verlorengegangene Kinder und den schwierigen Weg zu sich selbst. Die thematische Ernsthaftigkeit, das Nicht-Ausweichen vor heiklen Fragen mit formaler Strenge in 'Das große Heft' nach dem Buch von Agota Kristof, vom Thalia Theater Halle und in 'Salzwasser' von Conor McPherson, einer Männergeschichte zwischen Lebensbeichte und Angeberei, vom Theater Oberhausen. Sehr berührend war die Inszenierung 'Sag doch was' vom Kinder- und Jugendtheater des Landestheaters Tübingen mit dem großartigen Schauspieler Werner Koller, in der tabufrei die Konflikte im Zusammenleben mit einem alten, kranken Mann, der zum Pflegefall geworden ist, thematisiert werden. Steifbeinig, lallend, die Hosen vollgepisst, steht dieser Opa auf der Bühne. Die Enkeltochter Sarah hat es übernommen, ihn einen Nachmittag lang allein zu betreuen. Sie ekelt sich, ist überfordert und gibt doch nicht auf. Die Auseinadersetzung ist sehr hart. Vollkommen nackt steht der alte Mann auf der Bühne.Es tut weh, aber es wird nicht ein einizges Mal peinlich. Das Mädchen geht offensiv mit der Situation um, wodurch schließlich die Sprachlosigkeit überwunden wird. Mutig im Spiel, aber erstaunlich konservativ in der Wahl der ästhetischen Mittel.

Präsenz des Puppentheaters

Puppen- und Figurentheater müssen sich immer wieder gegen einen Gleichsetzung mit dem Kindertheater wehren. Aber sie gehören mit ganz wesentlichen Anteilen dazu. So ist es nur folgerichtig, dass sich nunmehr auch das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst (DIP) bei dem Theatertreffen einbrachte. Innerhalb eines Projektes, bei dem Anke Meyer für das DIP federführend war, wurden erstmals fünf Stipendien an Puppen- und Figurentheatermacher vergeben. Ergänzend zum traditionellen Forum Freier Theater wurde das Forum Puppen- und Figurentheater aus der Taufe gehoben und ein längst überfälliger Dialog zwischen den Machern eröffnet, der bei der FIDENA 2002 fortgesetzt werden soll.

(...) Diesen Spielraum für Experimente hat auch das Theater im Marienbad Freiburg, das mit 'Besuch bei Katt und Fredda' von Ingeborg von Zadow nach Berlin kam, ein virtuoses Kammerschauspiel, welches Reduktion als künstlerisches Mittel zur Überhöhung einsetzt. Katt und Fredda, beide altjüngferlich in Rosa und Lila gekleidet, wollen nur zu zweit für einander da sein. Aber da kommt Miranda, fremd, bunt, eine Kunstfigur in der Mischnung von Clown und Ballerina mit Engelsflügeln und einer kleinen Geige. Sie bringt das Gleichgewicht zum Kippen. Ein Konflikt, der sich nicht lösen lässt, eine von den dreien muss gehen. Es ist Miranda. Wird alles wie es war? Miranda sagt als letzten Satz: 'Ich war aber da.' Eine kleine, feine Inszenierung, voller Schmerz und Poesie.

'Shoking Heads', eine Collage nach dem 'Struwwelpeter' von Dr. Heinrich Hoffmann von Alexander Hawemann und Gerd Knappe des Hans Otto Theaters Potsdam war die wohl eindrucksvollste und zugleich beklemmendste Inszenierung dieses Treffens. (...) So nachhaltig diese Inszenierung beeindruckte; Kindern möchte ich sie nicht empfehlen. Die einseitige Weltsicht, diese Unausweichlichkeit und Alternativlosigkeit entlassen ohne Mut und Hoffnung.
 


Der Tagesspiegel
 
 
Samstag, 23. Dezember 2000
 
 
(Auszug)
 
 
Zehn herausragende Inszenierungen werden auf dem Programm des nächsten Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen im Mai 2001 stehen. Wie die Jury gestern bekannt gab, wurden für die in Berlin stattfindende Theaterbiennale unter anderem Produktionen aus Hamburg, Freiburg, Hannover und Potsdam ausgewählt. Berliner Produktionen fanden keine Aufnahme in diese inoffizielle Bestenliste des Jugendtheaters. Zusätzlich wird das Treffen unter dem Titel „Europäische Schulhofgeschichten“ einen Zyklus von sechs Uraufführungen von Stücken aus ganz Europa zeigen.
 


ddp
 
 
Mittwoch, 3. Januar 2001
 
 
(Auszug)
 
 
Vom 5. bis 10. Mai geht das 6. Deutsche Kinder- und Jugendtheatertreffen über die Bühne. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Unter dem Motto „Augenblick mal“ werden in Berlin 16 Stücke gezeigt. Die Veranstalter rechnen mit 6.000 Besuchern. (...) Jurymitglied Gerda Özer, Kulturmanagerin aus Recklinghausen, ist überzeugt: „Die deutsche Kinder- und Jugentheaterszene ist lebendiger als je zuvor.“ Es fiel ihr und den beiden Kollegen nicht leicht, sich für zehn Stücke zu entscheiden. Den Ausschlag gaben dann Kriterien wie Aktualität des Themas, Leistung der Schauspieler, aber auch ungewöhnliche Inszenierungsformen.
 


Schwäbisches Tageblatt
 
 
Montag, 12. Februar 2001
 
 
(Auszug)
 
 
Dieses Jahr findet die Veranstaltung zeitgleich mit dem 38. Berliner Theatertreffen statt. Manche Leute, weiß Taube, finden das eher ungünstig, sehen Aufmerksamkeit vom eigenen Festival abgezogen. Er selbst empfindet es eher als eine Aufwertung, Gleichstellung. Was ihn an der diesjährigen Auswahl besonders freut: Mit „Salzwasser“ von Conor McPherson wurde zum erstenmal ein Stück zur Jugendbiennale geladen, das im regulären Spielplan des Theaters Oberhausen inszeniert wurde, sich aber inzwischen zu einem Renner für Jugendliche entwickelt hat.
 
 

Salzwasser
 
 

TiP-Theater Oberhausen
 


Mitteldeutsche Zeitung
 
 
Mittwoch, 14. Februar 2001
 
 
(Auszug)
 
 
Grund zum Feiern gibt es mal wieder im Thalia-Theater. Der Erfolgs-Inszenierung „Das große Heft“ ist nämlich ein Ritterschlag zuteil geworden. Im Mai wird die Produktion beim sechsten deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen „Augenblick mal“ gezeigt. (...) Die gute Nachricht und zugleich eine Art Laudatio auf die Inszenierung von Gast-Regisseur Sascha Bunge überbrachte gestern Festival-Chef Gerd Taube. Er sprach von „Theater, das eine große Geschichte erzählt – und das in kongenialer Umsetzung.“
 
 

Das große Heft
 
 

Thalia Theater Halle
 


Reutlinger General-Anzeiger
 
 
Dienstag, 24. April 2001
 
 
LTT zum Festival nach Berlin eingeladen
 
 
(Auszug)
 
 
Das LTT-Kinder- und Jugendtheater ist erneut zu einem großen Festival eingeladen worden: Mit "Sag doch was!" des dänischen Autors Anders Ramberg wird es am 6. Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen "augenblick mal!" in Berlin teilnehmen. Für dieses Festival wurden von einer Jury zehn Inszenierungen aus rund 300 Vorstellungen als "künstlerisch bemerkenswert" ausgewählt.
 
 

Sag doch was!
 
 

LTT Tübingen
 


Rheinische Post
 
 
Mittwoch, 25. April 2001
 
 
Matthias Grass
 
 
mini-art aus Bedburg-Hau beim Kinder- und JugendTheatertreffen in Berlin
Bald Schluss mit der Glückseligkeit?
 
 
(Auszug)
 
 
Jetzt die Krönung: Als Kinder- und Jugendtheater aus NRW ist mini-art aus Bedburg-Hau zum 6. Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffen (5. bis 10. Mai) in Berlin eingeladen. Mit "Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich", einem modernen Märchen von der Suche zweier Generatioen nach dem Glück.
Doch dem Glück, der Tüte Glückseligkeit, der künstlerischen Krönung auf der einen Seite steht krass das mögliche wirtschaftliche Aus Mitte des Jahres gegenüber. (...) Jetzt trafen sich die 16 Bürgermeister des Kreises und beschlossen, dass die Arbeit von mini-art weitergehen soll. Finanziert nach dem Verursacher-Prinzip: Die Schulen, die mit dem Theater arbeiten, sollen den Fehlbedarf übernehmen. Wenn das den Etat der Schule sprengt, sollen die Kommunen als Schulträger einspringen.
Ob diese Prise Glückseligkeit allerdings reicht, ist noch fraglich. Gisela Mengelberg, mimi-art-Geschäftsführerin: "Wir müssen noch kalkulieren, ob sich das rechnen kann". Wenn nicht, kommt nach Berlin unweigerlich das Aus für vorbildliche Theaterarbeit.
 
 

Wer auf dem Kopf geht...
 
 

mini~art, Bedburg-Hau
 


Berliner Zeitung
 
 
Donnerstag, 3. Mai 2001
 
 
Abini Zöllner
 
 
Aus der Welt gefallen
"Augenblick mal!": Das Kinder- und Jugendtheatertreffen beginnt.
 
 
(Auszug)
 
 
Ein Dramaturg, eine Theaterpädagogin und eine Kulturmanagerin sind ein Jahr lang herumgereist und haben sich 300 Theatervorstellungen angeschaut. Durfte man sie um die Reisen beneiden?
Beim letzten Kinder- und Jugendtheatertreffen kam jedenfalls kein Neid auf, da hätten zehn Aufführunge gezeigt werden können, aber nur acht galten als einladenswert, alles andere war zu durchschnittlich. "Augenblick mal!" ist nämlich ein Theaterfestival, das - wie Kinder und Jugendliche eben auch - auf eines besonderen Wert legt: auf Anspruch. Nun, zwei Jahre später, steht das Treffen für einen offenbaren Aufschwung der Szene. Am liebsten hätte die dreiköpfige Jury diesmal zwölf Aufführungen eingeladen, zwei mehr als es die Regeln gestatten. Einem Dutzend wollte sie das Prädikat "künstlerisch bemerkenswert" zugestehen. Das Reisen war wohl erquicklich.
 


Tagesspiegel
 
 
Donnerstag, 3. Mai 2001
 
 
Jörg Königsdorf
 
 
Wir haben die Krise schon hinter uns
Das "kleine" Theatertreffen boomt: Eine Bühnen-Biennale für Kinder und Jugendliche
 
 
(Auszug)
 
 
Peter Markhoff vom Hamburger Theater Mär drückt es so aus: "Wir sind im Grunde schon dort, wo die Staatstheater wieder hinmüssen - beim Publikum. Von der Krise merken wir nur etwas, weil immer mehr Erwachsene zu uns kommen. Weil das Jugendtheater das einzige ist, das sie noch verstehen."
Das klingt provakativ, entspricht aber durchaus dem neuen Selbstbewusstsein, mit dem sich die Deutsche Kinder- und Jugendbiennale "Augenblick mal!" dem Direktvergleich mit dem großen Theatertreffen stellt. "Eigentlich ist die Festivalidee bei uns sogar viel lebendiger.", erklären Kerstin Schilling und Cathrin Blöss vom Festivalbüro, "Wir haben über sechs Tage den Kalender geballt voll mit 15 verschiedenen Prodktionen und strecken das Ganze nicht über drei Wochen. Denn der Sinn eines Festivals ist, dass man alle Aufführungen sehen kann. Zudem gibt es für unsere Aufführungen meistens sogar noch Karten." (...) Vielleicht ist es gerade die enge Verbindung der meist aus eigener Kraft entwickelten Stücke mit ihren Darstellern, die auf ganz selbstverständliche Weise für die Vielfalt des Kinder- und Jugendtheaters sorgt, aber auch erklärt, weshalb etliche erfolgreiche Produktionen kaum nachgespielt werden. Blöss: "Der 'standhafte Zinnsoldat' vom Puppentheater Meinigen, den wir diesmal dabei haben, ist so ein Beispiel: Die Andersen-Geschichte kennt jeder, aber diese Bearbeitung ist einfach so stark an die Persönlichkeiten der Darsteller gebunden, dass sich da niemand anderes herantrauen wird."
Das gestiegene Selbstbewusstsein der Jugendtheater entspringt nicht zletzt dem Bewusstsein, als einzige Sparte dem Theater noch neue Zuschauerschichten hinzuzugewinnen. Die Theaterbiennale als eines der europaweit wichtigsten Jugendtheater-Festivals ist dabei das Schaufenster der Szene in zwei Richtungen: Zusätzlich zu den zehn Produktionen, die eine dreiköpfige Jury unter gut 350 Neunszenierungen der letzten zwei Jahren ausgewählt hatte, sind bei "Augenblick mal!" immer auch ausländische Gruppen vertreten - ein Spiegel der Tatsache, dass die wesentlichen Impulse im Kinder- und Jugendtheater lange nicht aus Deutschland, sondern aus Ländern wie Schweden und den Niederlanden kamen.
 


taz
 
 
Montag, 7. Mai 2001
 
 
Julia Engelmayer
 
 
Schulhofgeschichten
Kein Puppenspiel: Das 6. Deutsche Kinder- und Jugendtheatertreffen 'Augenblick mal!'
 
 
(Auszug)
 
 
Am Eingang wurden erst einmal Protestschreiben verteiltt, die sich auf den gerade erschienenen Sammelband 'Kinder- und Jugendtheater in Berlin' bezogen. Zahlreich und wütend war Berlins Puppenspielerzunft zur Buchpräsentation und anschließenden Podiumsdiskussion in der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen. Die Darstellung ihrer Szene in dem Buch sei zu wenig konstruktiv, fanden sie, zu wenig hintergründig und überhaupt: von allem zu wenig. Puppenspieler wären ja ohnehin nur die Randgruppe der Randgruppe 'Jugendtheater'.
Die Veranstaltung war der offizielle Auftakt des 6. Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffens 'Augenblick mal!'. (...) der größte Teil der Diskussion zog mit dem Wortgefecht zwischen den Autoren des Buches auf dem Podium und den Puppenspielern im Publikum vorüber. Eine geradezu symptomatische Situation, scheint in der Jugendtheaterszene doch viel Energie im Kampf untereinander verloren zu gehen. Es ist eben so: Wenig Aufmerksamkeit lässt sich schwer teilen.
Symptomatisch war (...), dass weder Jugendliche noch Politiker der Einladung in die Friedrich-Ebert-Stiftung gefolgt waren. Da zumindest Letztere zumindest eingeladen worden waren, lieferte die Veranstaltung schließlich doch einen, wenn auch eher unfreiwilligen Kommentar zum Kinder- und Jugendtheater 'im Spiegel der Kulturpolitik'. (...)
Zum einen war man sich einig, dass Jugendtheater nicht nur auf der pädagogischen Folie betrachtet werden, sondern auch ästhetisch betrachtet werden muss. Gerd Taube wies diesbezüglich auf das Spektrum seines Programms hin: Die zehn Produktionen, im Rahmen von 'Augenblick mal!' gezeigt werden, zeigten doch verschiedenste formale Zugangsweisen: Medienästhetik, Märchensprache, Mischformen mit Figuren, Puppentheater und schließlich Theater mit choreografischen Elementen. (...)
Zum andern, befand man auf dem Podium, fehle immer noch die Vermittlung zwischen Künstlern und Kindern. Die Festivalleitung macht in diesem Zusammenhang auf die Vorstellung des EU-Projektes 'Schulhofgeschichten' aufmerksam.
 


Tagesanzeiger
 
 
Mittwoch, 9. Mai 2001
 
 
Markus Schneider
 
 
'Es ist eine unheimliche Freude zu spielen'
 
 
Die Jugendlichen vom Spielclub Theater an der Sihl gastierten dieser Tage in Berlin. Dort spielten sie am 6. Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen ihr Stück. Und trafen Kollegen aus anderen europäischen Ländern.

(Auszug)
 
 
Es ist auch in Berlin ein seltenes Erlebnis. Ein Theatersaal, so voll, dass mit Plastikstühlen notbestuhlt werden muss. Dabei handelt es sich nicht einmal um eine Aufführung der Grossen und Teuren, die zeitgleich in den renommierten Grossspielstätten im Zentrum Berlins zu ihrer alljährlichen Leistungsschau angetreten sind. Vielmehr eröffnet zum sechsten Mal das im Zweijahresabstand stattfindende Kinder- und Jugendtheater-Treffen im Carrousel Theater Lichtenberg. (...)
In diesem Jahr zeigt man nicht nur zehn ausgewählte deutsche Produktionen, sondern auch je sieben professionelle Gruppen und Laienklubs, die im Rahmen eines europaweiten Projektes 'Europäische Schulhofgeschichten' vorstellen. Aus Zürich ist, unterstützt von der Schweizer Botschaft, neben der energischen Aufführung 'Pausen-Rehe & Platz-Hirsche' des Theaters an der Sihl auch dessen Jugendklub dabei mit der einmaligen Wiederaufnahme von 'A Place to Be', das im Oktober letzten Jahres uraufgeführt worden ist. Aus Portugal, England, Holland, Frankreich, Deutschland und Russland kommen die anderen Beiträge, die im Marathon hintereinander weggespielt werden. (...)
Überraschend ähnlich sehen sich (...) die markanten Motive der Pausen. Hauen und Stechen, Ausgrenzung und Gruppenzwang, Rauchen und Küssen. (...) Dennoch geht es bei den Schulhofgeschichten nicht um sozialpädagogische Wahrheiten zum Teenie-Biotop der 13- bis 18-Jährigen. Der ethnografische Effekt stellt sich eher beiläufig ein. Im Vordergrund steht die Umsetzung, deren unterschiedliche Ästhetik wohl auf Ländertraditionen schliessen lässt. 'Im Grunde', bemerkt Darja, 'gab es ja bei allen die gleichen Typen, die paar Coolen, die Aussenseiter, die irgendwie Abgefuckten. Die Deutschen zum Beispiel haben diese Typisierung stark überspitzt. Die Probleme sind sehr direkt dargestellt und von den Figuren ausgespielt. Es wird alles gesagt.' 'Wie mit dem Leuchtstift', ergänzt Vera. 'Bei den Russen sah man wirklich, dass die unheimlich hart und diszipliniert arbeiten.' (...)

'A Place to Be' arbeitet mit Ruhe und Präzision, setzt auf Bewegungen, Gesten und Blicke. Die Inszenierung verzichtet auf die Flut der Reize, mit der anderswo auf die Schnittfrequenzen der Pop-Ästhetik reagiert wird. Die Stilisierung fällt dabei jedoch nicht in die pantomimische Abstraktheit des französichen Beitrags, der die Zwänge eines fast kastenartigen Schulsystems mit formaler Strenge zu vermitteln sucht.

Zu spüren ist, wie in der Festivalatmosphäre, den Aufführungen und Workshops, die Konzentration sich verdichtet und das Bewusstsein der eigenen Arbeit klärt.(...)

Wenn es irgendwo eine Krise des Theaterpublikums gibt, dann jedenfalls nicht hier. Die Vorstellungen werden leidenschaftlich geliebt. Es herrscht die pure Lust am Theater. 'Die intensive Vorbereitung, die andere Stadt, Leute, mit denen man über Theater sprechen kann. Man ist ein bisschen abgespaced. Wie beduselt, während man von Stück zu Stück geht', finden alle drei. 'Es ist einfach eine unheimliche Freude zu spielen.'
 
 

Europäische Schulhofgeschichten
 
 

Autoren- und Theaterprojekt aus 7 Ländern
 


Deutschlandradio
 
 
Donnerstag, 10. Mai 2001
 
 
(Auszug)
 
 
Volker Trauth, nachdem sie dieses Theatertreffen verfolgt haben, was war das denn für ein Jahrgang?

Ja. Das ist nicht ganz einfach zu sagen. Es war nicht eines der besten Jahre von diesen sechsmaligen Treffen. Ich leite das ab von der Bemerkung, dass es nicht so sehr viele Inszenierungen gab, die, sagen wir mal, eine Erweiterung der künstlerischen Formen brachten. Also, es wurden nicht so oft, wie vielleicht in vorigen Jahrgängen, so die bewährten Pfade verlassen. Es gibt ein paar Beispiele, wo wirklich interessantes, innovatives gezeigt wurde. Ich will ein Beispiel vielleicht mal nennen: 'Sag doch was', eine Produktion vom Landestheater Tübingen, eine ganz merkwürdige Geschichte, wo ein junges Mädchen dem Hässlichen begegnet und mit dem Hässlichen umgehen muss in Gestalt ihres Großvaters Laute rauskommen. ...da sind wirklich innovative Momente zu erleben.

(...)Also beispielsweise, was mir aufgefallen ist, die Welt wird nicht als heile Welt gezeigt. Sie wird nicht geschönt. Dieses Beispiel von dem Gegenübertreten, dem Hässlichen gegenüber, habe ich schon erzählt, oder aus Halle kam DAS GROSSE HEFT, eine Dramatisierung eines Romans von Agota Kristof, ein ganz bitteres, böses, schwarzes Bild von der Welt (...)

Was die Form, die Präsentation, die Umsetzung angeht, sie haben eben gesagt, es war nicht so innovativ wie das in den anderen Jahren der Fall war, welche Entwicklungen zeichnen sich da überhaupt ab?

Die ganz interessanten Mischformen waren hier zu erleben. Und das wird, glaube ich, auch die Zukunft sein. Also dass beispielsweise Puppentheater mit Schauspielertheater gezeigt wird, dass sich Figurentheater und Schauspieltheater mischen, dass sich die erzählende Haltung des Schauspielers, dass die nahtlos übergeht in das Hineinspringen in die Situation. Ich will ein Beispiel sagen: DER STANDHAFTE ZINNSOLDAT aus Meiningen.

Ja, wie gegenwärtig sind die Stoffe insgesamt?

Also es ist so, es gibt die konkreten Jugendlichen auf der Bühne nur selten. Das ist auch ganz interessant, dass also diese Autoren wie Mayenburg oder Ravenhill und Kane nicht gespielt werden, sondern Autoren, die vor allem für das Kinder- und Jugendtheater schreiben. Aber in der Form dieses Prinzips im Tautropfen die Welt. Da versucht, die Welt einzufangen, also praktisch im einfachen Beispiel modellhaft die Wirklichkeit widerzuspiegeln.
 


Neues Deutschland
 
 
Freitag, 11. Mai 2001
 
 
Neues Deutschland
 
 
Harte Kontraste von Liebe bis Tod
6. Kinder- und Jugendtheater beendet
 
 
(Auszug)
 
 
Gerade an provokanten Inszenierungen, bilanzierte Festivalleiter Dr. Gerd Taube, entzünden sich die Kontroversen, die ein lebhaftes Kinder- und Jugendtheater brauchen. Diskutiert wurden vor allem inhaltliche und ästhetische Aspekte. Was darf, was kann man dem jungen Publikum zumuten, wie soll man es mit dem Stoff konfrontieren? Erfreut war Dr. Taube über die hohe Beteiligung. Die 59 Vorstellungen waren zu 98 Prozent ausgelastet, manchmal wurden sogar Plätze aufgestockt. Insegesamt wurden 6700 Zuschauer verbucht, zu gleichen teilen Kinder und Jugendliche aus Kitas und Schulen sowie Fachpublikum. Auch die 40 Veranstaltungen des Rahmenprogramms kamen gut an.
Ein 'Armutszeugnis' stellte Dr. Taube dem Kultursenat aus, der sich am Festivalbudget von 600 000 DM wieder nicht beteiligt hat. Er hofft, über den Hauptstadtkulturfonds langfristig eine institutionelle Förderung zu erreichen.
 


FAZ
 
 
Freitag, 11. Mai 2001
 
 
Simone Kaempf
 
 
Einzug der Existentialisten
Neue Lebensgefühle auf dem 6. Kinder- und Jugendtheatertreffen
 
 
(Auszug)
 
 
Das sechste Kinder- und Jugendtheaterfestival war gerade wenige Stunden alt, als in einer Turnhalle in Lichtenberg eine eindrucksvolle Lehrstunde darüber gehalten wurde, wie lebendig das Theater ist, wenn der Phantasie keine Grenzen gesetzt werden. In einem unscheinbaren Seidenballonzelt reichte eine Taschenlampe und ein paar aus Pappe geschnittene Figuren aus, um den einbeinigen Zinnsoldaten zu begleiten, dessen Irrfahrt durch die Abwässerkanäle erst endet, wenn der Fisch, der ihn verschlungen hat, als Abendbrotmahl auf dem Tisch der Familie liegt.
Und doch ist neuer Wind zu spüren. Seine Kraft bezieht er aus der Idee, den jugendlichen Zuschauern nicht schon alle zeichen vorzudeuten. Weine anregende Überforderung während der Vorstellung ist durchaus akzeptabel. So leben in der Inszenierung 'Das große Heft' vom Thalia Theater Halle die asketischen Überlebendexerziten der beiden Zwillinge dadurch auf, daß die beiden Schauspielerinnen ihre monologischen Sprachblüten an der Rampe ohne jede Gefühlsregung dem Publikum darbringen. Das distanzierte Gefühl zur Umgebung soll auch ästhetisch beglaubigt werden. Mittel, die nicht jedem recht sind und am Rande des Festivals zu kleinen Diskussionen führen.
Im Kindertheater scheint sich scheint sich dagegen wenig zu bewegen. Ideenreiche Inszenierungen wie 'Der standhafte Zinnsoldat' waren hier die Ausnahme. Der Einsatz ausgefeilter Kunst- oder Körpersprache, von künstlichen Figuren oder anderen Medien ist selten.
 


Tagesspiegel
 
 
Samstag, 12. Mai 2001
 
 
Jörg Königsdorf
 
 
Weg mit der Sozialpädagogik!
Eine Bilanz
 
 
(Auszug)
 
 
Die zehn mutmaßlich besten deutschen Produktionen hatte eine dreiköpfige Jury ausgesucht - was im Laufe der Woche an fünf Berliner Spielorten zu sehen war, kann mit einigem Recht als maßgeblich für die Sparte insgesamt betrachtet werden. Mit einem nur auf den ersten Blick paradoxen Endergebnis: Während an den großen Bühnen die Nachhutgefechte um die künstlerische Existenzberechtigung des Jugendkult-inspirierten Pop-Theaters toben, hat das Kindertheater nach zwanzig Jahren gespielter Sozialpädagogik und mit rotzfrechen Dialogen getarnter Moralbotschaften die Kunst entdeckt; mit Inszenierungen wie "Besuch bei Katt und Fredda", die sich die Verfremdungseffekte und die Ästhetik des absurden Theaters aneignen, die bei aller Schlichtheit der auch für Siebenjährige verständlichen Kindersprache doch zugleich mit Samtmesserklingen ein mehr erfühltes als ausgesprochenes Geflecht von Verletzlichkeiten und Hilflosigkeiten freilegen.

Freilich, mit der bewussten Verunklärung von Zeit und Raum, dem Verzicht auf die direkte Identifikation eines Kinderpublikums mit vorgeblich gleichaltrigen Schauspielern zu Gunsten einer poetischen, dezidiert kunstvollen Atmosphäre wagt sich Regisseur Dieter Kümmel im Kindertheater-Spektrum noch am weitesten vor.

(...) Ohnehin scheint der Ausweg Kunst auch eine Folge des geänderten Erfahrungs- und Alltagshorizonts der jugendlichen Zuschauer: Der gesellschaftliche Wandel vom Probleme-unter-den-Tisch-Kehren der Post-Adenauer-Zeit, gegen die Kindertheatermacher einst rebellierten, zur Allgegenwärtigkeit zwischenmenschlicher Spannungen in Talkshows und Ereigniscontainern hat das herkömmliche Jugendtheater mit der gleichen Unbedingtheit überholt wie die Bilderflut der Nachrichten das politische Regietheater in Schauspiel und Musik.
br> (...) Kennzeichnend, dass die im Kinder- und Jugendtheater besonders wichtigen Freien Gruppen die Zeichen der Zeit eher erkannt haben als die Jugendtheatermacher der staatlich alimentierten Bühnen: Neben dem privaten Theater im Marienbad kam auch der zweite stilistisch wagemutige Beitrag 'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' von einer freien Gruppe, dem Theater Mini-art aus Bedburg-Hau an der niederländischen Grenze. (...)

Das Puppentheater vorneweg
Neu ist die Wiederentdeckung der Kunst nicht - gerade im Bereich des reinen Kindertheaters hatte sie sich immer ein Refugium bewahrt. Wie schon bei der letzten Biennale bleibt es auch diesmal dem Puppentheater überlassen, zu zeigen, dass Theater allein durch die Kraft einer poetischen Bildhaftigkeit in Bann ziehen kann: Im "Standhaften Zinnsoldaten" des Puppentheaters Meiningen braucht es nur einen Spieler, ein großes Zelt und ein wenig Licht und Schatten, um die Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern für eine Stunde gegenstandslos zu machen. Nur wissen die Kinder noch nicht, dass die Möglichkeit zu staunen, auch im Theater etwas ganz Besonderes ist. Sagen Sie es ihnen bitte nicht.
 


Tagesspiegel
 
 
Sonntag, 13. Mai 2001
 
 
Jörg Königsdorf
 
 
Deutsches Kinder- und Jugendtheatertreffen
Weg mit der Sozialpädagogik!
Eine Bilanz
 
 
(Auszug)
 
 
Zwei Stühle auf leerer Bühne, von der Decke ein Kronleuchter-Fragment. Sonst nichts. Zwei seltsam altjüngferliche Gestalten in Strumpfsocken und abgewetzten Ballkleidern, später noch eine dritte, andere. Sonst niemand. Und eine Geschichte, die nur davon erzählen will, dass es manchmal eben einfach keine Lösung gibt. Und doch ist dieser 'Besuch bei Katt und Fredda' des Freiburger Theaters im Marienbad ein kleines Wunder, das wie keine andere Inszenierung dieser sechsten Deutschen Kinder- und Jugendtheaterbiennale zeigte, wie unsinnig die Kategorisierung eines Theaterpublikums nach Altersgruppen sein kann.

Abschied von der Moralbotschaft

Die zehn mutmaßlich besten deutschen Produktionen hatte eine dreiköpfige Jury ausgesucht - was im Laufe der Woche an fünf Berliner Spielorten zu sehen war, kann mit einigem Recht als maßgeblich für die Sparte insgesamt betrachtet werden. Mit einem nur auf den ersten Blick paradoxen Endergebnis: Während an den großen Bühnen die Nachhutgefechte um die künstlerische Existenzberechtigung des Jugendkult-inspirierten Pop-Theaters toben, hat das Kindertheater nach zwanzig Jahren gespielter Sozialpädagogik und mit rotzfrechen Dialogen getarnter Moralbotschaften die Kunst entdeckt; mit Inszenierungen wie Besuch bei Katt und Fredda“, die sich die Verfremdungseffekte und die Ästhetik des absurden Theaters aneignen, die bei aller Schlichtheit der auch für Siebenjährige verständlichen Kindersprache doch zugleich mit Samtmesserklingen ein mehr erfühltes als ausgesprochenes Geflecht von Verletzlichkeiten und Hilflosigkeiten freilegen.

Freilich, mit der bewussten Verunklärung von Zeit und Raum, dem Verzicht auf die direkte Identifikation eines Kinderpublikums mit vorgeblich gleichaltrigen Schauspielern zu Gunsten einer poetischen, dezidiert kunstvollen Atmosphäre wagt sich Regisseur Dieter Kümmel im Kindertheater-Spektrum noch am weitesten vor.
Die Vitalität und Originalität, mit der in anderen Produktionen noch um Fragen wie 'Muss Opa ins Heim?' oder 'Ist es beim Fernsehen wirklich so toll?' gestritten wurde, deutet an, dass die Zukunft des Jugendtheaters vorerst von einem Nebeneinander geprägt sein wird. Freilich scheint der Abschied vom problemorientierten Theater nur noch eine Frage der Zeit. Eine 'konventionelle' Produktion wie Anders Rambergs 'Sag doch was' bestätigte das Auslaufen der 'Epoche Grips' gerade durch seine Eindrücklichkeit: In aller Drastik zeigt die Inszenierung des Landestheaters Tübingen einen lallenden, halbseitig gelähmten alten Mann, der sabbert, sich einnässt und von seiner Enkelin splitternackt ausgezogen wird. Obwohl bewegend gespielt, scheint die Szene mit ihrer Schockwirkung mehr ein Indiz dafür zu sein, dass die letzten Tabu-Themen inzwischen erreicht sind - alle harmloseren Problemfelder vom richtigen Zähneputzen bis zur Scheidung der Eltern sind längst abgegrast.

Ohnehin scheint der Ausweg Kunst auch eine Folge des geänderten Erfahrungs- und Alltagshorizonts der jugendlichen Zuschauer: Der gesellschaftliche Wandel vom Probleme-unter-den-Tisch-Kehren der Post-Adenauer-Zeit, gegen die Kindertheatermacher einst rebellierten, zur Allgegenwärtigkeit zwischenmenschlicher Spannungen in Talkshows und Ereigniscontainern hat das herkömmliche Jugendtheater mit der gleichen Unbedingtheit überholt wie die Bilderflut der Nachrichten das politische Regietheater in Schauspiel und Musik.

Eine Thematisierung der Videowelt aus der Sicht dreier Teenie-Mädels, wie sie Erfolgsautor Lutz Hübner in 'Creeps', dem Beitrag des Staatstheaters Hannover, vornimmt, ist da kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein versiegender Themen. Kennzeichnend, dass die im Kinder- und Jugendtheater besonders wichtigen Freien Gruppen die Zeichen der Zeit eher erkannt haben als die Jugendtheatermacher der staatlich alimentierten Bühnen: Neben dem privaten Theater im Marienbad kam auch der zweite stilistisch wagemutige Beitrag 'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' von einer freien Gruppe, dem Theater Mini-art aus Bedburg-Hau an der niederländischen Grenze. Geradezu spröde lässt sich die von den beiden Schauspielern Christa Ohler und Sjef van der Linden selbst konzipierte Handlung mit ihren enigmatisch verzerrten, grotesken Dialogen an. Erst spät, wenn die beiden als Vater und Tochter wieder zueinander finden, merkt man, wie hier Stück für Stück Gefühlsblockaden aufgelöst wurden, dass die Sperrigkeit der Rede viel mehr von jahrzehntelang geleckten seelischen Wunden erzählt, als es ein rein realistisches Spiel je könnte.

Das Puppentheater vorneweg

Neu ist die Wiederentdeckung der Kunst nicht - gerade im Bereich des reinen Kindertheaters hatte sie sich immer ein Refugium bewahrt. Wie schon bei der letzten Biennale bleibt es auch diesmal dem Puppentheater überlassen, zu zeigen, dass Theater allein durch die Kraft einer poetischen Bildhaftigkeit in Bann ziehen kann: Im 'Standhaften Zinnsoldaten' des Puppentheaters Meiningen braucht es nur einen Spieler, ein großes Zelt und ein wenig Licht und Schatten, um die Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern für eine Stunde gegenstandslos zu machen. Nur wissen die Kinder noch nicht, dass die Möglichkeit zu staunen, auch im Theater etwas ganz Besonderes ist. Sagen Sie es ihnen bitte nicht.
 


Neues Deutschland
 
 
Donnerstag, 17. Mai 2001
 
 
Volker Traut
 
 
Schulhofgeschichten
 
 
(Auszug)
 
 
Eine 'Erfahrungskette' wollten die sieben beteiligten Theater aus sieben europäischen Ländern knüpfen, sich darüber austauschen, 'wie man berührendes und bewegendes Theater für Heranwachsende' macht. Begonnen hatte es mit einem Projekt des Berliner carrousel-Theaters, den 'Berliner Schulhofgeschichten'. Dramatiker wurden beauftragt, Stücke zu schreiben, die auf dem Schulhof spielen. Der Erfolg gab Mut zur europaweiten Ausweitung. Sieben europäische Theater wurden für die Teilnahme gewonnen. Zusammen richteten sie einem Auftrag an das europäische Netzwerk für Kinder und Jugendliche, 'EunetArt', zur finanziellen Unterstützung des Vorhabens. Herausgekommen ist das größte uind finanziell am großzügigsten unterstützte europäische Projekt auf dem Felde der kulturellen Jugendarbeit.

Der Schulhof als Ort der Träume: Das Theater aus Lyon etwa zeigte die Geschichte von Gordon und Arthur, die in ein Projekt eingebunden sind, dessen Sinn sich ihnen nicht erschließt, und die erst in den Pausen zu leben beginnen.

Künstlerische Höhepunkte waren zweifellos die Beiträge des Theaters an der Sihl aus Zürich und des Dramatischen Theaters aus Tomsk. 'Pausenrehe & Platzhirsche' stand als Titel über der Züricher Inszenierung von Marcelo Diaz, erstklassige Autoren des schweizerischen Kinder- und Jugendtheaters wie Paul Steinmann und Guy Krneta haben Texte dafür geschrieben. Auch hier wird die Schulpause zur Ereignis., zur einzigen zeit des wirklichen Lebens. Zwischen Komik und Tragik pendelt auch die Inszenierung 'Kuba - Liubov moya'. Zwei obdachlose Säufer haben es sich auf einem Schuttplatz neben ihrem einstigen Schulhof bequem gemacht. Der Schulhof hat magische Anziehungskraft für sie. Hier haben sie einst, in den 60er Jahren, feige zugesehen, wie ihr Klassenkamerad Dschikow von einer Bande erschlagen worden ist. Eine phantasievolle Inszenierung zwischen Verfremdeten Märchenspiel und harter Realistik, die vor allem von den wunderbaren Komödianten Oleg Afanasew und Ewgewni Platokhin lebt.
 


Süddeutsche Zeitung
 
 
Samstag, 19. Mai 2001
 
 
Klaus Doderer
 
 
Jenseits der Poesie
Das 6. Kinder- und Jugendtheatertreffen in Berlin
 
 
(Auszug)
 
 
Die Hälfte der Stücke waren den ganz jungen Zuschauern vorbehalten - und sie hatten auffälligerweise allesamt mehr den Hang zur symbolreichen Hintergründigkeit als zur Darstellung des Kinderalltags.
(...) Man muss also schon deswegen eine der Gastproduktionen innerhalb des internationalen 'Schulhofgeschichten-Projektes' besonders loben: 'Kuba - meine Liebe' (Tomsky Dramatishesky Teatr, Tomsk). Die wunderbare Fabel 'Mihael Bartenevs' erzählt von zwei alten Männern, die sich des weit zurückliegenden Mordes an einem Mitschüler erinnern und die dann erfahren, dass der Junge zu ihnen kommt und sie holt. Poetische Dichte, schauspielerische Glanzleistung - so eine Inszenierung vergisst man nicht so leicht.
Gegen ein solches poetisches Zauberwerk setzten die Jugendstücke dann einen sehr deutlichen Kontrapunkt. Das heutige Theater der Teenager, für junge Erwachsene, ist nach dem, was auf dem Berliner Treffen zu sehen war, kaum noch an hartem Realismus und Gegenwartsproblematik zu übertreffen,
Interessanterweise ist in Berlin die Zeichnung des Männerbildes zum Generalthema im Theater für junge Leute geworden. Männer müssen sich zum Beispiel, im übertragenden Sinne und im wahrsten Sinne des Wortes, ausziehen. In der leider wenig mitreißenden Inszenierung des schwierig, wenn auch vom Inhalt her großartigen 'Großen Heftes' endet die betreffende Szene mit der Hinrichtung des Mannes, in 'Sag doch was' mit dem Abbau der Fremdheit, der Annäherung zwischen der zupackenden Enkeltochter Sarah und dem gelähmten Großvater. In 'Wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel unter sich' (mini-art Kinder- und Jugendtheater, Bedburg-Hau) outet sich der Vater Stück für Stück eine ganze Stunde lang als kalter Egoist. Junge Männer vergewaltigen, oder sie werden - im 'Großen Heft' im übrigen von Frauen gespielt - den härtesten Bedingungen des Lebens ausgesetzt. Männerschicksale, Männerrollen, Männerbilder.
Herausragend ist ohne Zweifel Lutz Hübners Strück 'Creeps'. Thema ist die Verführung junger Menschen durch die Mediengesellschaft
Lutz Hübner hat ein unterhaltsames Boulevardstück geschrieben; aber 'Creeps' ist noch mehr, es ist zugleich eine intelligente und spannend komponierte Gesellschaftsanalyse, auch ein kritisches Lehrstück in der Gripsnachfolge. Hier geht es um junge Menschen, die sich wehren, gegen die Verbiegung ihrer Welt, gegen hohle Machtanmaßung und auch gegen eine zerstörerische Wessi-Arroganz.
 
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