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Augenblick mal !
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Thalia Theater Halle |
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Das große Heft |
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The Notebook |
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Autor: Agota Kristof |
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Übersetzung aus dem Französischen von Eva Moldenhauer |
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Spielfassung: Sascha Bunge |
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Regie: Sascha Bunge |
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Darsteller: Christine Gülland, Katharina Hauck, Sofie Maruschka Hüsler, Susanne Silverio, Andrea Ummenberger, Volker Dirkes, Axel Gärtner, Peter Härtwig, Wolfgang Hütter, Enrico Petters |
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Dramaturgie: Cornelia Nitzschke |
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Ausstattung: Constanze Fischbeck |
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Projektionen: Lars Nickel |
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Sprache: deutsch |
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ab 16 Jahre |
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Dauer: 165 Minuten |
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Rechte: Verlag Autorenagentur, Berlin |
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Die Veranstaltung findet im Rahmen der 5. Theatertagen der Länder Sachsen-Anhalt und Brandenburg statt. Karten für diese Vorstellung können ebenfalls über |
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Votum: Den Weg des Schmerzes gehen. Den Weg des Schmerzes nicht mehr gehen. Sich hart machen gegen das Elend Leben, sich abhärten gegen all die psychischen und physischen Verletzungen. Sich aussetzen den Erniedrigungen und Schlägen, so lange, bis du nichts mehr spürst, die Verhöhnungen und Tritte nicht. "Nach einiger Zeit spüren wir tatsächlich nichts mehr. Es ist jemand anderes, der sich verbrennt, sich schneidet, leidet. Wir weinen nicht mehr." Die Zwillinge sind bei der lieblosen Großmutter untergebracht, denn es ist Krieg, und da überlebt nur, wer der Grausamkeit die Stirn bieten kann. Nicht weich wird bei Beschimpfungen, nicht weich wird bei Liebkosungen: das Wort Liebe ist längst kein sicheres Wort mehr in einer Zeit, in der ein Wolf den anderen frißt. Zu hungern üben die beiden und zu töten, denn man muß töten können, wenn es nötig ist. Im "großen Heft" halten sie ihre Übungen fest. Sie stehlen und betteln. Nach außen wirken sie brutal, werden gefürchtet und bewundert. Emotionalität wird selbst aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Dann wieder sind sie menschlicher als diejenigen, die sich die Menschlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben. Ihrer Großmutter bieten die beiden an: "Wenn es was zu töten gibt, müssen Sie uns rufen. Wir werden es tun." - Sie sagt: "Ihr mögt das, was?" - "Nein, Großmutter, wir mögen es nicht. Gerade deswegen müssen wir uns daran gewöhnen." Regisseur Sascha Bunge, der aus Agota Kristofs Roman auch die Textfassung des Thalia Theaters kompiliert hat, ist nicht der Versuchung erlegen, die monströsen Gewalttätigkeiten der Textvorlage zu bebildern. Er weiß: Der größte Schrecken spielt sich im Kopf des Zuschauers ab, kein Theaterblut, keine Theatermaschinerie kann da mithalten. Er hat dem dreistündigen Theaterabend eine strenge (Sprech)- Form verordnet; das Spiel der Darsteller wirkt unterkühlt, wie der Bericht eines Nachrichtensprechers; es ermöglicht uns die Grausamkeiten zu ertragen, noch hinhören zu können, wenn eine Granate die Mutter und ihr Neugeborenes in Blut- und Knochenbrei zerfetzt, das leicht debile Mädchen mit dem Namen "Hasenscharte" zuerst vom Pfarrer und dann von den Soldaten brutal vergewaltigt wird. Dem reduzierten Gestus hat der Regisseur im Zusammenwirken mit seiner Ausstatterin Constanze Fischbeck eine vielschichtig komponierte Bühne gegenübergestellt mit der friedlichen Diaprojektion einer einsamen Birke in slawischer Landschaft, Filmsequenzen aus Walt-Disneys "Bambi", steil-schräger Bühne mit fahrendem Orchestergraben und Leuchtbändern, auf denen die Rest-Emotionen der Zwillinge zu lesen sind. Sascha Bunge hat ein homogenes, gut disponiertes Ensemble, aus dem die beiden Zwillinge Katharina Hauck und Andrea Ummenberger sowie die Großmutter, gespielt von der Doyen des Thalia Theaters Christine Gülland, herausragen, klug und anforderungsgerecht eingesetzt. Ein dichter, ein nachdenklich stimmender, ein engagierter Theaterabend, nicht belehrend, nicht moralisierend, nur zeigend und berichtend, und dadurch so lehrreich. Am Ende des Stückes wird der Vater der Zwillinge, ein Gegner des herrschenden Regimes, aus der Haft entlassen. Er will fliehen, in "das andere Land jenseits der Grenze". Die Zwillinge schicken ihn voraus, eine Mine zerreißt ihn und bahnt somit den beiden den Weg. Black. Nur die Schriftbänder flackern noch einige Zeit ihre hohlen Sätze in die Welt. Tristan Berger |
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... Director Sascha Bunge, who also compiled the texts from Agota Kristof's novel for the Thalia Theatre production, wisely resists the temptation to put on stage the monstrous acts of violence found in the book. He knows better. For the greatest terror takes place in the heads of the audience members. Fountains of blood and shocking spectacles dwarf in comparison to the more profoundly twisted images produced by the human mind. This three hour theatre ordeal restricts itself to the spoken form. The performers deliver their lines with an icy chill, as if rattling off the evening news. It has a numbing effect. The atrocities become strangely palpable. When a hand grenade blasts a mother and her baby into a brew of flesh and bone, we keep listening. When the mentally retarded girl "Hare-lip" is brutally raped twice, first by the pastor and then by a soldier, we shrug it off. Another entry in the notebook. The reductionist performing style is starkly accentuated by the multi-layer stage composition of Bunge's set designer, Constanze Fischbeck. A peaceful slide projection - a lonely birch in an eastern European landscape. Film sequences from Walt Disney's "Bambi". Orchestra pit and light strip rolling across the steeply inclined stage. The disturbing emotions conjured up by the performance seem to dangle from the scenery like left-over scraps of flesh on bones. Sascha Bunge has skillfully implemented a homogenic, well-cast ensemble. The twins Katharina Hauck and Andrea Ummenberger are outstanding. The grandmother, played by Thalia Theatre doyenne Christine Güllard, is equally marvellous. A compact, mentally invigorating and engaging evening at the theatre. Bunge is not out to teach or moralise, only to show and report - all the more instructive the effect. At the end of the play, the twins' father, an opponent of the regime in rule, is released from jail. He wants to escape, to "the other country beyond the border". The twins send him out ahead. He is ripped to shreds by a mine, clearing the path so they can cross. Black. Only some banners flicker on ... for a moment or two proclaiming their empty messages to the world. Tristan Berger |
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Zum Stück: Agota Kristof beschreibt in ihrem Roman "Das große Heft" - der Vorlage für diese Inszenierung - eine klare Linie des Schmerzes einer Kindheit ohne Idylle und des Erwachsenwerdens in einem Umfeld, dem die Normen der Menschlichkeit und Liebe entglitten sind. Die Hauptfiguren sind Zwillingsbrüder, die von der Mutter zu ihrem Schutz während des Krieges zur Großmutter aufs Land gebracht werden und dort lernen müssen, autarke Lebensnormen zu finden und zu praktizieren. Sie töten in sich das Gefühl für Schmerz, Sentimentalität und Leid, verschreiben sich ganz dem Ziel, zu überleben. Sie üben sich in der Abhärtung des Körpers und des Geistes. In ihren Studien definieren sie Wahrheit neu. Dabei vermeiden sie solche Wörter, die Gefühle ausdrücken, denn die sind zu unbestimmt. Sie bleiben bei den sicheren Tatsachen. Und diese schreiben sie in ihr großes Heft. Sie machen auch Übungen in Grausamkeit, denn "man muß töten können, wenn es nötig ist". Sie hungern und stehlen. Sie werden zu brutal anmutenden Monstern, die zu allem fähig sind und zugleich lassen sie sich von menschlichen Urinstinkten und einer Ahnung von Liebe leiten. Ohne daß das Anlegen einer Schwarz-Weiß-Schablone möglich wäre, sind Themen wie Deformation, Brutalität, Gewaltbereitschaft, Sehnsucht nach Liebe aber auch nach individueller Autonomie auf sehr differenzierte und beeindruckende Weise immanent. |
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Übung zur Abhärtung des Körpers
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"Ein Buch kann nicht so traurig sein wie ein Leben! Man wirft mir vor, traurige Bücher zu schreiben. Aber es gibt Leben, die sind noch viel trauriger. Vielleicht nicht mein eigenes, aber wenn ich fernsehe oder Zeitung lese, dann sehe ich Leben, die sind viel trauriger als meines, als meine Bücher." Agota Kristof |
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Based on Agota Kristof's novel "The Notebook", this production draws out a clear line of suffering – a childhood without idyll, coming of age in a dysfunctional world, all traces of humanity and love erased or grossly distorted. The protagonists are twin brothers. The backdrop the Second World War. Their mother brings them to their grandmother on the countryside, believing they'll be safer here. Yet suddenly they must be grown-ups, self-sufficient, self-defined. Left to their own devices, the boys build a value system based on the naked will to survive. Oblivious to all feelings of pain, scorning even the slightest trace of sentimentality, they train their bodies and minds to be hard, sharp and cruel. Truth is given a new meaning. Words expressing emotions are shunned – too fluffy, too indistinct. Only clear, solid facts count. Facts they keep track of. Facts to add to their big notebook. They practice acts of cruelty. For "one must be able to kill, if necessary". They are hungry, so they steal. They become brutal, unseemly monsters, capable of anything, driven by primal human instincts – yet not without a dim shimmering of love. Black and white interpretations aside, the issues of deformation, brutality, fascination with violence, even the longing for love and independence are inherent to the fabric of this painstakingly differentiated and vividly unforgettable production. |
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![]() Andrea Ummenberger, Volker Dirkes, Katharina Hauck Foto: © Sabine Gudath |
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Medienecho: |
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Mitteldeutsche Zeitung |
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