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EREIGNISSE
 

Augenblick mal !
6. Deutsches Kinder- und Jugendtheater-Treffen
vom 5. bis 10. Mai 2001 in Berlin
 
Inszenierungen

 


Theater im Marienbad, Freiburg
 


Besuch bei Katt und Fredda
 


Visiting Katt and Fredda
 


Autor: Ingeborg von Zadow
 


Regie: Dieter Kümmel
 


Darsteller: Daniela Mohr, Renate Obermaier, Kirsten Trustaedt
 


Bühne: Marc Totzke
 


Sprache: deutsch
 


ab 7 Jahre
 


Dauer: 60 Minuten
 


Rechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
 



aus dem Repertoire des GRIPS Theaters, Berlin

 



Votum:
Nicht zufällig ist das Theater im Marienbad aus Freiburg im Breisgau erneut nominiert für das Berliner Festival des Kinder- und Jugendtheaters. Dieses Haus leistet sich einen besonderen Umgang mit der Zeit für die Erarbeitung einer Produktion. Es verweigert sich dem Druck, den Abonnements durch Neuproduktionen quantitativ gerecht zu werden. Dieses Haus schärft so den Blick in das Innere eines Textes. Ingeborg von Zadows Text ist an so manchem Theater gespielt worden. Die Freiburger Inszenierung ist ein besonderer Abend über das Leben, seine Wunder und Wunden. Nach der Rückkehr von einer Reise mit "Mühen und Strapazen", "voller Sehnsucht und Angst und den ganzen anderen Hindernissen" haben sich Katt und Fredda in einem Heim eingerichtet. Hier herrscht perfekte Ordnung, hier fühlen sie sich wohl. Entdeckungen aus dem Draußen teilen sie sich nun lieber aus Büchern und Gazetten mit. Sie halten sich in ihrer Welt zusammen und gefangen. Soll man erneut einen Austritt in Unbekanntes wagen? Doch bevor solch ein Wagnis im Kopf durchgespielt werden kann mit all seinen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten, steht es als Miranda bereits in ihrer Tür. Das Neue dringt in seinen Schönheiten, Widersprüchen und Verklemmungen ein. In seiner ganzen Scheußlichkeit, weil es so schrecklich verwirrend für Katt und Fredda ist, daß sie sich selbst nicht mehr kennen in ihrer Freude, ihrer Verletzbarkeit, ihrem Verrat; in seiner ganzen Schönheit, weil es so kraftvoll und energiegeladen daherkommt. In ein Karussell der Emotionen werden wir hineingeschleudert, das jenseits von Wehleidigkeit und Weltschmerz zu einer Poesie der Widersprüche führt. Und ist überhaupt nicht alles bloß Spiel, wie so oft in dieser Geschichte behauptet wird? Und ist es also deshalb nicht weniger gefährlich, sich auf diese Reise ans neue Ufer zu begeben? Aber das Spiel wird ernst. Existenziell. Das spüren alle. Dieter Kümmel inszeniert aus diesem Stück keine Alltagsgeschichte, sondern behauptet sie in einer großen Kunsthaftigkeit. Die erlaubt es, den Schmerz ebenso wie die Lust an den Widersprüchen erlebbar zu machen: wer muß den Raum verlassen, wird es ein neues Paar geben, ist das Neue nicht immer aufregender als das Alte und mit einem ungeheuren Energieschub verbunden? Auf einmal gibt es den Moment, da ein Leben zu dritt möglich scheint. Auch diese Utopie dürfen wir leben sehen, bevor wir die Vergänglichkeit dieser Sekunden eingestehen müssen, weil bei dreien immer eine hintenan steht und dieser Haushalt von Katt und Fredda eben nur für zwei hergerichtet ist. Kein Problem, das läßt sich lösen, es sind doch alles vernünftige Leute - all das könnte jetzt eingewendet werden. Aber der Abend entläßt uns nicht in die romantische oder die aufgeklärte Sicht. Er thematisiert eben jene Unmöglichkeit und erzählt konsequent die Auseinandersetzung um die klein-kleinen Dinge, durch die sich die Figuren um eine andere Form von Sein bringen. Ein 60-minütiger Abend über die zwischenmenschlichen Höhen und Tiefen, der sie nicht wegredet, sondern zuläßt und uns zum Aushalten zwingt. Besitzstandswahrung steht neben Aufbruchsstimmung, Verführung neben Eifersucht, Intrige neben Ratlosigkeit, Liebe neben Schmerz. Aber die Neue bleibt die Neue. Und die muß gehen. Am Schluß steht: ich war aber da. Ein schöner Satz, ein großer Satz. Eine Begegnung mit Einschnitt für Katt und Fredda, denn wird wirklich alles wieder so, wie es früher einmal war? Wir kennen die Antwort und erleben sie an diesem Abend doch neu. Die Inszenierung setzt auf Reduktion und schafft damit eine Überhöhung. Nur das findet sich auf der Bühne, was nötig schien, von den Beziehungen der Figuren zueinander zu erzählen: zwei Stühle mit zwei Kissen darauf, zwei Eierbecher als Abendbrotgedeck, das Buch, die Zeitung. Das Heim ist ein erhöhtes Podest. Jeder Schritt hinunter ein Schritt in Unbekanntes, dessen Ende man noch nicht kennt und das erst erkundet werden muß. Das setzt sich in der Spielweise fort. Die Konsequenz liegt in der Präzision der gewählten Mittel. Daher müssen auch keine äußeren Anlässe erfunden werden für diese Geschichte des Ausprobierens und Scheiterns. Es entsteht ein hoch virtuoses Spiel von Daniela Mohr, Renate Obermaier und Kirsten Trustaedt. Wenn am Ende ein fast opernhaftes Finale die Inszenierung beschließt, spulen sich im Kopf noch einmal die Szenen und Sätze ab. Man mag nicht gleich aufräumen mit diesem Abend.

Karola Marsch
 



... we are whisked away on a carousel of emotions. Forget the poles of self-pity and weltschmerz, this is the poetry of contradiction. Perhaps, as the story repeatedly claims, everything is only a game. But does that make it any less dangerous? Crossing boundaries, switching sides. The game becomes serious. Existential. Suddenly there's no escape.
Director Dieter Kümmel infuses the story with so much more than the day-to-day world it supposedly portrays. The artistically rendered scenes make the pain as well as the pleasure of their contradictions tangible. Who has to leave the room? Will a new couple form? Isn't the new always more intriguing than the old, promising a fresh, new boost of energy? And then, suddenly, a life together as three seems plausible. The lure of this utopia is allowed to settle in, we see it, believe it, even as we are struck with its transience. Of course, we all know one of them will inevitably have to go; there is only space for two here. No problem, we are all reasonable people, we'll find a solution. We are torn between impossibilities.
But as the evening closes, neither the romantic nor the enlightened path prevails. Only impossibilities are magnified, trivialities stringently placed side by side, denying the characters any hope of solution, or any other way of being. For 60 minutes, the highs and lows of interpersonal relationships are subject to the scrutiny of the spotlight. Nothing is left uncovered. We have to face the contradictions straight on. Accept them. Bear through them.
Karola Marsch
 



Zum Stück:
Katt und Fredda sind lange Zeit unterwegs gewesen. Eine Reise liegt hinter ihnen, die voll von Mühen und Strapazen war, voller Sehnsucht und Angst. Dann endlich, eines Tages, war Schluß mit dem Umherirren, mit all den Hindernissen. Endlich haben sie einen, ihren Raum gefunden, haben es geschafft ins Trockene zu kommen. Diesen Raum haben sie sich schön eingerichtet. Alles ist da, was sie brauchen: Zwei Stühle, zwei Teller, die Dinge des täglichen Lebens. Perfekt eingerichtet, gemütlich, friedlich und ungestört.
Warum sollte es nicht immer so bleiben, hofft Fredda. Denn Katt denkt an Besuch. Daß einmal Besuch kommen könnte, etwas Neues geschehen würde, etwas Spannendes. Ein Besuch hat doch so seine Reize. Aber würde das nicht die ganze Ordnung durcheinanderbringen? Also wollen Katt und Fredda doch lieber ungestört bleiben, "wir beide - für immer". Und da ist Miranda. Sie zieht draußen umher, von einem Ort zum anderen. Miranda kommt vorbei und will einfach mal reinkommen. Miranda will auch gerne alles zusammen machen, mit anderen Leuten, dann macht das Leben mehr Spaß. Und so ist plötzlich Besuch da bei Katt und Fredda. Und schnell ist nichts mehr so, wie es vorher war. Ist Platz für drei, wo vorher alles nur für zwei eingerichtet war? Wer spielt mit wem, und wer bleibt draußen? Auf einmal ist Fredda, die doch gar keinen Besuch wollte, diejenige, die entdeckt, wie spannend Besuch sein kann. Aber Katt hat sich das mit dem Besuch etwas anders vorgestellt. Und was kann alles passieren, wenn der Besuch König ist; denn ein König darf tun und lassen was er will.
 



Katt and Fredda had been on the road a long, long time. They had many a mile behind them, full of misery and hardship, full of longing and fear. Then suddenly, one day, all their troublesome meandering was over. Finally they had found a room. They'd come into the dry. Katt and Fredda make their room into a home. Everything is there: two chairs, two plates, all the things one needs for day to day life. It's perfectly furnished, cosy, peaceful, just plain nice. Fredda hopes it stays like this forever. But Katt wouldn't mind having a guest. It would bring more life into the house, a new feeling, excitement. There's a lot to be said for having a guest. But wouldn't it be a disturbance in the pleasant flow of things? In the end, Katt and Fredda decide to keep things as they are – "just the two of us, forever!"
Then Miranda comes along. Wandering about from one town to the next, she slinks up to Katt and Fredda's home. Miranda wants to come in. Be a part of things. Do things together with other people. She imagines life must be more fun that way. So all of a sudden there she is: a guest for Katt and Fredda. Nothing is the way it used to be anymore. Is there space for three, where everything has been set up for two? Who plays together? Who's left out?
Fredda, who at first didn't want a guest, discovers what fun it can be after all. But Katt is disappointed, he had thought it would be different. All of a sudden, this guest is dominating their whole lives. Like an empress who feels she can do whatever she wants, whenever she pleases, however she fancies.
 




Daniela Mohn, Renate Obermaier
Foto: © Klaus Fröhlich
 
 
 
 
Medienecho:
 
 
 
Badische Zeitung
 
 
 
Stuttgarter Zeitung
 
 
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