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EREIGNISSE
 

Augenblick mal !
6. Deutsches Kinder- und Jugendtheater-Treffen
vom 5. bis 10. Mai 2001 in Berlin
 
Inszenierungen

 


Figurentheater Chemnitz
 


Die Katze
 


The Cat
 


nach Rudyard Kipling
 


Autor: Horst Hawemann
 


Regie: Anne Frank
 


Darsteller: Cornelia Fritzsche, Bertram Kemmler, Martin Vogel
 


Sabine Tischmeier
 


Bühne: Peter Gemarius de Kepper
 


Dramaturgie: Martin Morgner
 


Sprache: deutsch
 


ab 7 Jahre
 


Dauer: 60 Minuten
 


Rechte: henschel Schauspiel Theaterverlag Berlin
 



Votum:
Ein Erzähler betritt die Bühne und beginnt die Geschichte der Wildnis. Der Vorhang hebt sich unter gewaltiger Musik, und der Blick wird frei auf eine Szenerie aus nebligem Blau: zwei Spieler jagen über den Bühnenaufbau, jetzt springt der Erzähler hinein, die Spieler verwandeln sich in die Tiere Pferd, Hund, Kuh, im Wechsel werfen sie sich die Figuren über die Bühne zu, bis sie sich verwickeln, um ihren Platz in diesem Abend miteinander zu streiten - ein fulminanter, frech-frischer Auftakt. Er gibt uns die Richtung vor: die Spieler sind Puppenspieler und Schauspieler zugleich. Sie lauern hinter ihren Figuren, bereit zum Sprung in die Wildnis. Höchste Spiellust am Beginn holt uns in diese Inszenierung. Der Erzähler ist stets um einen korrekten Ablauf des Geschehens bemüht. Doch seine Kollegen wollen eben diesen Rahmen immer wieder sprengen. Sie setzen die behauptete Wildnis der Erzählung durch, lassen sie uns erleben und lassen auch den Erzähler spüren, wovon hier die Rede ist: die nicht zu zähmende Wildheit. Oder doch? Ein gelungenes Spiel um Fiktion und Realität. Immer wieder gibt es das an diesem Abend: im Überschreiten der Spielgrenzen fordern die Spieler die Authentizität des Bühnenaugenblicks ein: rasant, unbedingt, überbordend. Das hat mitreißende Kraft. Viele Szenen ließen sich so beschreiben, aber stop! dem Erlebnis soll nicht vorgegriffen werden.
Die Zähmung der Wilden also, die Zähmung der Wildnis steht im Zentrum. Durch die Frau. Natürlich! Natürlich? In dieser Produktion wirkt es fast so. Am Anfang lernen wir die Tiere Pferd, Kuh, Hund und Katze kennen. Und während die ersten drei sich nicht so unbedingt festlegen wollen und immer ein "ich glaube", "vielleicht" und "sicher" vor sich hertragen, behauptet die Katze ihre Eigenart. Die macht, was man nicht von ihr erwartet, die verhält sich konträr, besonders. Ein Tiger taucht auf - der Wildeste der Wilden, laut, brüllend, tapsig, ein bißchen bäurisch dumm, aber nicht verschlagen. Denn verschlagen ist die Katze. Mit einem pieksigen Humor, den sie wohldosiert einsetzt, agiert sie immer in dem Bewußtsein, mit Distanz schauen und also draufschauen zu können. Jetzt kommt der Mann ins Spiel, von der Frau in eine Reihe gestellt mit Pferd, Kuh, Hund. Sie will sie alle zähmen. So baut sie erst einmal ein Heim mit Tür, Feuer, Kessel, darin Essen. Über die Faszination des Kusses, der Frau, der Liebe beginnt die Zähmung des Mannes. Sie muß nicht diktieren, sie setzt auf das ihm Unbekannte, das Neue. Dann sind die Tiere dran: die werden übers Lieblingsessen geködert. Einzig die Katze will sich entscheiden können, ob sie auch unter diesem Dach wohnt oder nicht. Sie will nicht gelockt, also überredet sein: hier kriegst du Fressen und dann darfst du wachen, Pflüge ziehen oder Milch geben. Welch ein Ausblick! So setzt sie sich eine besondere Aufgabe.
Die Spieler leisten Beeindruckendes in dieser Aufführung. Sie schonen sich und ihre Puppen nicht. Respektlos werfen sie sich ihre Figurentiere mal wie Taschen über die Schultern, dann wieder streiten sie um die Situation des Spiels selbst. Das Spiel ist hier thematisiert: als Verabredung, der sich alle unterziehen und die doch immer wieder von zweien unterlaufen wird, da es mit ihnen durchgeht. Sie fordern die Behauptung der Geschichte als reale Konsequenz ein. Aber da gibt es auch die Einforderung der Geschichte durch den Erzähler. So stellt sich unweigerlich an diesem Abend die Frage, wer zähmt hier wen: die Frau die Wilden, der Erzähler die Wilden oder zwingen sie, die Wilden, den Erzähler in den Aufbruch zu einer Begebenheit jenseits der Ordnung und damit zu einer augenblicklich einzigartigen.

Karola Marsch
 



the irresistibly playful beginning immediately grabs our attention. The Narrator feels responsible for the correct flow of the story, his colleagues, however, keep trying to go off in new directions. If you're talking about a wilderness, after all, you have to act it out, don't you? Right from the start, the animals make it clear to the audience - and the Narrator - what this play is about: the untameable wilderness. Then again ...
This is a play on fiction and reality. Time and again during the story, the performers discard all respect for rules and re-conquer the authenticity of the stage: vivaciously, courageously, absolutely. It gets you hooked. Plenty of scenes can be boiled down to this mechanism. But wait! We don't want to spoil the experience. You have to be there.
So the taming of the wild and their wilderness is the focal point. Tamed by a woman, naturally. Naturally?! It almost seems that way in this production. First, we get to know the animals: Cow, Horse, Dog and Cat. The first three come across as somewhat half-hearted, clinging their pet phrases "Think so", "Could be" and "Sure thing", while Cat stays true to her peculiarities. She doesn't do what one expects of her, she talks back, holds her own. Then Tiger crops up - the wildest of the wild - loud, roaring, clumsy, even a little the country hick. That is, by no means artful. Trickiness is Cat's turf. Playfully poking fun in well-measured doses, Cat tickles and teases the awareness, keeping a distance and a sharp perception. Enter the Man. Woman puts him in a row with Cow, Horse and Dog. She wants to tame them all. She builds a home: there's a door, a fire, a pot with food in it. The taming can begin. Woman sparks Man's fascination: for her, for her kisses, for love. Nothing has to be dictated, she trusts the power of the Unknown and the New to work their spell on Man. Now it's the animals' turn, lured in with their favourite foods. Only Cat seems able to maintain a free will, asking herself if she really wants to join this family, join their home. She resists the bribery, refuses to be talked into anything. Sure you get your food, but then you have to keep watch over the house, pull the plough, let yourself be milked. Cat has something else in mind ...
The performances are impressive. Neither puppet nor performer walks away unscathed. Disrespectfully puppets are cast over shoulders like handbags. And the performers start fighting again about the course of the story ...
Karola Marsch
 



Zum Stück:
Furchtbar wild ist es in der Wildnis des Dschungels. Die Haustiere sind noch wild, der Menschenmann ist wild, und ganz besonders wild ist der Tiger. Und da ist auch die Katze ...
"Frag mich nichts. Ich komme nicht mit. Ich mache niemals mit. Ich mache, was ich will, auf eigenen Wegen. Miau, das versteht ihr nicht."
Lange läuft das Spiel scheinbar an der Katze vorbei - alle anderen etablieren sich, richten sich in der Nähe der Menschenfamilie in einer Höhle ein: die Ich-glaube-Kuh, das Vielleicht-Pferd, der Sicher-Hund. Nur der so genannte Dschungel-Herr, der Tiger, stört den Frieden im Idyll der Gezähmten: Er greift an, will einen Platz in der warmen Höhle, ohne etwas dafür zu geben. Angst ergreift die Wohngemeinschaft, inzwischen hat man auch das Kind zu verteidigen, das "Baby" heißt ...
Nun ist die Stunde der Katze gekommen, nun greift sie ein. Mit Samtpfoten, Schlauheit und scharfen Krallen kann sie den gefährlichen Tiger überlisten. Und bekommt dafür von den Menschen die Anerkennung, um die sie als "freies Wesen" nicht gebettelt hat.
 



Die Katze

oder:
Die Katze, die nur ihre eigenen Wege geht
oder:
Die Katze, die macht, was sie will
oder:
Die Katze, die mit sich allein spazieren geht
oder:
Die wild-zahm-schöne Katze
oder:
Die zahme, schön wilde Katze
oder:
Die wilde, schön zahme Katze
oder:


Wenn Theaterleuten ein besserer Titel einfällt,
dann können Sie ihn benutzen für das Spiel mit viel Musik,
viel Bild, viel Verwandlung, viel Wildnis und viel Entdeckung

 



"Ich schreibe immer aus Sehnsucht nach Verbesserung. Deshalb geben sich die Figuren nicht ab mit Wissen, was manchmal so bedrückend ist, sondern suchen nach Punkten des Entdeckens und des Findens. Ich schreibe Utopien und für das Unpraktische"
Horst Hawemann
 



How uncannily wild it is in the wilderness! In the jungle, pets are wild. As if they had never been domesticated. Humans are wild. The tiger even more so. And then there's that cat...
"Don't even ask. I'm not coming. I'll never join in. I do what I want! Meow way. That's something you'll never understand!"
For a long time it seems the cat is completely left out of the picture. Everyone else settles down. They make themselves a home in a cave – not far from the human family. There's the Think-So-Cow, the Could-Be-Horse, the Sure-Thing-Dog. But then the so-called King of the Jungle comes along, the tiger, disrupting the peace in this otherwise harmonious den of the tamed. He attacks and demands a corner of the warm cave for himself, offering nothing in return. The community is shaken with fear, especially for "Baby", the new child they've taken on...
Now it's the cat's turn to attack. Putting all her velvet paws, sharp claws and shrewd wit together, she's able to out-trick the tiger and restore peace to the community. She gains the respect of the humans too, naturally, without begging for it – while retaining in full her dignity and free spirit.
 




Martin Vogel
Foto: © Sabine Gudath
 
 
 
 
Medienecho:
 
 
 
Freie Presse, Chemnitz
 
 
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