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THEMEN
 

Schreiben für das Kinder- und Jugendtheater

 


Förderung von dramatischer Kinder- und Jugendliteratur
in Deutschland

von Henning Fangauf, Frankfurt am Main
 
 
 
 
Die Förderung der dramatischen Kinder- und Jugendliteratur muß auf den spezifischen Entstehungsweisen von szenischen Vorlagen für das Kinder- und Jugendtheater aufbauen. Neben den autonom arbeitenden Autoren, die ihre Stücke über die Theaterverlage an die Bühnen bringen, entstehen Stücke ebenso zahlreich durch Improvisationen und kollektive Arbeiten. Dabei stimmen heutzutage die alten Bilder nicht mehr: hier die Freien Theater und ihre selbstentwickelten Stücke, dort die kommunalen Theater mit ihren Autorenspielplänen. Jeder bedient sich bei jedem, und es ist Alltag geworden, ein Grips-Stück und eines von Astrid Lindgren auf ein und demselben Spielplan zu finden. Allerorten regiert die Vielfalt, dramaturgische Konzeptionen sind den Spielplänen kaum noch anzusehen.
 
Schreiben für das Kinder- und Jugendtheater bedeutet nach wie vor, eine Menge Idealismus an den Tag zu legen, denn weder von den Tantiemen noch von eventuellen Stückaufträgen können die Autorinnen und Autoren finanziell überleben. Viele von Ihnen sind daher literarisch und künstlerisch vielfältig tätig. Entscheidend ist die Haltung und das Selbstverständnis, aus dem heraus die Autorinnen und Autoren für das Kinder- und Jugendtheater schreiben.
 
Rudolf Herfurtner würde "am liebsten eigentlich nur für das Theater schreiben. Aber ich bin nicht in der Lage, mir ein Theater zu schaffen. Deshalb versuche ich immer wieder, einen Text zu schreiben, den man mir abnimmt, der bei Theaterleuten soviel Liebe erzeugt, daß sie ein halbes Jahr daran Arbeit finden.... Es ist ungleich schwieriger, ein Echo von einem ganzen Produktionsteam zu erreichen als mit einem Buch bei einem einzelnen Leser...". Aus Herfurtners Ausage läßt sich entnehmen, daß er gerne in der Situation anderer Autoren wäre, nämlich "ihr eigenes Theater" zu haben. Man muß auf dieses Faktum immer wieder hinweisen: Von Volker Ludwig über Paul Maar bis hin zu Albert Wendt und Peter Ensikat - alle diese heute bekannten, erfahrenen und erfolgreichen Autoren standen dauerhaft oder auf Zeit in vertraglichen Verhältnissen mit einem Theater. Und was wäre Lilly Axster, die begabte Autorin aus Wien, ohne das dortige Theater der Jugend? Was wäre Jutta Schubert ohne das Theater im Zentrum in Stuttgart, Gerd Knappe ohne das Kammertheater Neubrandenburg. Erfolgreiche und kontinuierliche Autorenarbeit findet meistens im unmittelbaren Kontakt mit Theatern statt. Ganz deutlich benennt Volker Ludwig diese Tatsache. "Ich habe mir mein eigenes Produktionsmittel geschaffen, damit ich meine Texte überhaupt loswerde. Aus diesem Grunde habe ich zwei oder dreimal ein Theater gegründet. Ich fühle mich nach wie vor in erster Linie als Autor, komme aber nur noch nachts zum schreiben, weil das Theater zu leiten, mich mehr als die Hälfte meiner Zeit kostet. Anderseits geht es mir als Theaterleiter sehr gut, ich kann mir Schwächen und Fehler leisten, denn meine Schauspieler werden für die Stücke gesucht, die ich ihnen schreibe. Ohne diese enge Beziehung zur Bühne könnte ich überhaupt nicht schreiben. Ich meine damit nicht so sehr die Bühne, sondern das Publikum."
 
Die Autorinnen und Autoren des Kinder- und Jugendtheaters können auf ein bestehendes Netz verschiedener Maßnahmen zur Förderung ihrer Arbeit und Literatur zurückgreifen. Dabei spielt die Aus- und Weiterbildung eine besondere Rolle. Wettbewerbe, Stipendien und Autorenpreise ergänzen das System. Autorentage, internationale Kooperationen "Interplay Europe e.V.", Stückpublikationen und kulturpolitische Initiativen runden den Maßnahmenkatalog ab. Auch im Programm des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland spielt die Autorenförderung eine wichtige Rolle.
 
Als eine kulturpolitische Initiative zur Förderung der dramatischen Kinder- und Jugendliteratur verfasste das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland "Frankfurter Forderungen zur Dramatik für Kinder- und Jugendtheater". Am 2. Dezember 1995 wurden diese auf dem Siebten Frankfurter Autorenforum der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Das Zentrum lieferte damit einen Anstoß zur Diskussion und eröffnete eine Debatte, die nicht nur zur Gleichberechtigung der Autorenschaft des Kinder- und Jugendtheaters führen sollte, sondern auch Einsichten bot in das komplexe Verhältnis zwischen Dramatik und Bühne.
 
 
 
 

Frankfurter Forderungen zur Dramatik für Kinder- und Jugendtheater

 
 
 
von Henning Fangauf, Frankfurt am Main
 
 
 
 
Gerade das Kinder- und Jugendtheater braucht qualifizierte Autorinnen und Autoren, die sprachliches Vermögen, Visionen, literarisch-dramaturgische Fertigkeiten und engagiertes Zeitbewußtsein zu einer Dramatik verbinden. Die Autorinnen und Autoren brauchen das Kinder- und Jugendtheater, um sich an seinem Publikum, seiner Arbeitsweise und seinen Themen zu orientieren. Die Theaterverlage sind die traditionellen Mittler zwischen Autor und Bühne. Sie können aber nicht den direkten Dialog ersetzen.
 
 
 
 
1. Die Theater sollten Arbeitsplätze für Dramatikerinnen und Dramatiker schaffen.
 
2. Die Theater bzw. ihre Rechtsträger sollten in den Etats Mittel vorsehen, die es erlauben, regelmäßig Auftragswerke zu finanzieren.
 
3. Die Theater sollten mit den Autoren, die es wünschen, bei der Entwicklung von Stücken zusammenarbeiten.
 
4. Die Theater sollten Autorinnen und Autoren Mitarbeit in unterschiedlichen Funktionen anbieten, die ihnen gewünschte Kenntnisse der Theaterpraxis vermitteln.
 
5. Die Autorinnen und Autoren sollten von sich aus das Erfahrungsfeld Theater suchen, um dort ihre Fähigkeiten zu erweitern und zu überprüfen.
 
6. Theater der öffentlichen Hand bzw. ihre Rechtsträger sollten die diskriminierende Minderung der Urheberabgaben für Kinder- und Jugendtheater Aufführungen aufgeben.
 
7. Die Förderinstitutionen sollten die Praxis der Autorenpreise in dem Sinne überdenken, daß diese auch als "Projektpreise" auf eine Uraufführung des prämierten Stückes hinwirken.
 
8. Ein Theaterstück hat mehr Seiten als eine einzige Inszenierung zeigen kann. Die Theater sollten deshalb - auch im Hinblick auf ein zu etablierendes Kinder- und Jugendtheaterrepertoire - dramatische Texte nach der Uraufführung immer wieder neu ausprobierend inszenieren.
 
9. Die Kritik sollte der Dramatik für das Kinder- und Jugendtheater mit derselben Ernsthaftigkeit gegenübertreten wie den anderen Sparten des Theaters auch.
 
 
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