Dr. Gerd Taube
Künstlerischer Leiter des Treffens

Den Augen Beine machen

Zum fünften Mal flitzt nun der Augenfüßler durch Berlin. Das 5. Deutsche Kinder- und Jugendtheater-Treffen ist wieder an der Spree zu Gast. Die Auswahlkommission hat acht künstlerisch bemerkenswerte Inszenierungen des Theaters für Kinder und Jugendliche zur Einladung vorgeschlagen. Ich habe mich in Europa umgesehen und vier Inszenierungen eingeladen, die außergewöhnliche Inszenierungsansätze für ein Theater für Kinder und Jugendliche verfolgen. Nun heißt es wieder: Augenblick mal für das Theater, das den Augen Beine macht.

Die Inszenierungen des Treffens deuten auf gewachsenes künstlerisches Selbstbewußtsein im Kinder- und Jugendtheater, das sich als Theater für ein spezielles Publikum behauptet, ohne bei aller Besonderheit auf das große Repertoire klassischer und moderner europäischer und deutscher Dramatik zu verzichten. Die Nähe zu seinem Publikum wird in diesem Theater auch deutlich im Umgang mit Ausdrucksformen der Jugendkultur, die differenziert und reflektiert im szenischen Zusammenhang verwendet werden. Auf seine Art und Weise macht dieses Theater augenfällig, was der Alltag verschweigt.

Die vier europäischen Inszenierungen kommen nur zufälligerweise aus den vier Himmelsrichtungen nach Berlin. Sie vereint die Idee der Macher, daß das Theater für ein junges Publikum seinen Zuschauern etwas zumuten darf. Das betrifft die erzählten Geschichten, die so rigoros sind wie das Leben ebenso wie die künstlerischen Ausdrucksmittel. Kinder- und Jugendtheater wird in diesen Inszenierungen nicht nur als Notwendigkeit behauptet. Mit großer Ernsthaftigkeit und mit der unerläßlichen kritischen Distanz haben Künstler damit Angebote für Kinder und Jugendliche gemacht.

Das Deutsche Kinder- und Jugendtheater-Treffen hat sich seit seiner ersten Ausgabe 1991, die als Begegnung von Künstlern des Kinder- und Jugendtheaters aus Ost und West konzipiert war, zur Biennale des deutschen Kinder- und Jugendtheaters und zu einem wichtigen Theatertreffen entwickelt. Vor zwei Jahren, beim 4. Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen selbst Mitglied der Auswahlkommission, schrieb ich im Programmbuch, das Treffen sei eine Leistungsschau, die auf Geleistetes ebenso verweise wie auf zu Leistendes. In diesem Sinne verstehe ich auch das 5. Deutsche Kinder- und Jugendtheater-Treffen als Leistungsschau und sein Programm als Diskussionsangebot. Das fünfte Treffen soll uns deshalb auch Anlaß sein, über die Erwartungen an ein solches Treffen nachzudenken und die Rolle, die es spielen muß, zu bedenken.

Ich wünsche allen Beteiligten und allen Zuschauern viele anregende Augenblicke bei dem Theater, bei dem man die Augen und die Ohren und das Herz aufsperren muß, weil es Einblick gibt in die Welt, wie sie ist, und Ausblick auf eine Welt, wie sie sein könnte.